Ein 365-Euro-Klimaticket, Tempo 100 auf Autobahnen und eine fahrleistungsabhängige Maut – das sind nur einige der Möglichkeiten, die die DUH in ihrer Klage gegen die Bundesregierung vor dem OVG Berlin vorschlägt.
Weil sie das Klimaschutz-Sofortprogramm von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für rechtswidrig hält, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Montag Klage gegen die Bundesregierung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erhoben. Das Maßnahmenpaket, das Wissing am 13. Juli 2022 vorgestellt hat, verstoße gegen das Klimaschutzgesetz des Bundes. Denn durch das Paket würden zwischen 2022 und 2030 nicht wie geplant 271 Millionen Tonnen CO2 eingespart, sondern – nach eigener Einschätzung der Bundesregierung – bloß 13 Millionen Tonnen.
Expertenrat kritisiert Wissings Sofortprogramm
Notwendig wurde das Sofortprogramm, da die festgelegten Jahresimmissionsmengen im Sektor Verkehr 2021 um 3,1 Millionen Tonnen CO2 überschritten wurden. Für diesen Fall sieht das Klimaschutzgesetz (KSG) vor, dass ein Sofortprogramm durch das zuständige Bundesministerium vorgelegt wird. Dem kam das Bundesverkehrsministerium im Juli nach, die Prüfung des Pakets durch den Expertenrat für Klimafragen fiel jedoch nicht sehr positiv aus.
"Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor spart nach Angaben des Verkehrsministeriums nur 14 Megatonnen an Treibhausgas-Emissionen ein, so dass sich rechnerisch immer noch eine Erfüllungslücke von 261 Megatonnen bis 2030 ergibt", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf. Das Ministerium habe nur Pläne zum Ausgleich der Lücke der Emissionen des Vorjahres vorgelegt, was "eine sehr spezielle Interpretation" des Klimaschutzgesetzes sei. Das Verkehrsministerium erklärte hingegen, dass das Sofortprogramm die Zielverfehlung des vergangenen Jahres ausgleiche. Für die kommenden Jahre solle die Einhaltung der Klimaziele hingegen durch das umfassende Klimaprogramm der Bundesregierung sichergestellt werden, sodass das Sofortprogramm darauf nicht eingehe.
Die DUH forderte die Bundesregierung auf, ein neues, den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Sofortprogramm auf den Weg zu bringen, das nicht nur die Verfehlung des Vorjahres ausgleiche. Diese Forderung macht sie nun auf dem Klageweg erneut geltend und weist in ihrer Klageschrift darauf hin, dass ein den Vorgaben entsprechendes, in die Zukunft blickendes Sofortpaket durchaus möglich sei.
Tempolimit und Pkw-Maut?
Die Umwelthilfe schlägt diesbezüglich verschiedene konkrete Maßnahmen vor. So solle unter anderem ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 km/h innerorts eingeführt werden, dadurch würden 9,2 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart. Außerdem müssten klimaschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg oder die Dienstwagenpauschale abgeschafft werden. Des Weiteren solle ein "365-Euro-Klimaticket", eine fahrleistungsunabhängige Pkw-Maut und eine CO2-basierte Neuzulassungssteuer beim Autokauf eingeführt werden.
"Wir klagen auf ein ausreichendes Sofortprogramm. Dieses muss alle Maßnahmen enthalten, mit denen die letztjährige Klimazielverfehlung ausgeglichen und sichergestellt wird, dass zukünftig keine Zielverfehlungen mehr auftreten. Die Bundesregierung kann zwar selbst festlegen, welche Maßnahmen sie dafür in das Programm aufnimmt. Da sie im Verkehrsbereich aber nur beschränkte Kompetenzen hat, wird die Bundesregierung ohne Maßnahmen wie ein Tempolimit nicht auskommen.", erklärt Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, der die DUH in dem Rechtsstreit vertritt.
Ist die DUH klagebefugt?
Es bleibt nun abzuwarten, ob das OVG die Klage zulässt, insbesondere ob die Klagebefugnis der DUH bestätigt wird. In ihrer Klageschrift führt die Umweltorganisation aus, dass sie "unions- und völkerrechtlich zwingend" klagebefugt sei. Habe das OVG daran Zweifel, regt die DUH an, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, zeigt sich zuversichtlich: "Wir sind zuversichtlich, dass das von uns angerufene Oberverwaltungsgericht – wie im vergangenen Jahr bereits das Bundesverfassungsgericht beim Klimaschutzgesetz – die Bundesregierung zu einem rechtskonformen Sofortprogramm mit sofort und ausreichend wirksamen Maßnahmen verurteilen wird." Das Bundesverfassungsgericht hatte im März vergangenen Jahres entschieden, dass der Bund beim Klimaschutz nachbessern müsse.
ast/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Klimaschutz-Sofortprogramm für den Verkehrssektor: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49535 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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