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OLG zu Dashcams als Beweismittel: Die Kamera war Zeuge

19.07.2017

Verkehrsunfall (Symbolbild)

© Kara - stock.adobe.com

Dürfen Aufnahmen permanent im Auto installierter Kameras als Beweismittel im Zivilprozess verwertet werden? Unter Umständen ja, meint das OLG Stuttgart - weist aber gleich darauf hin, dass der BGH das durchaus anders sehen könnte.

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In Einzelfällen dürfen Aufnahmen von Autokameras in Zivilprozessen vom Gericht als Beweismittel herangezogen werden. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. (Urt. v. 17.07.2017, Az. 10 U 41/17).

Ausgangspunkt war ein Verkehrsunfall, den der klagende Fahrer mit einer in seinem Auto im Dauerbetrieb laufenden Kamera – einer sogenannten Dashcam – aufgezeichnet hatte. Dabei war er mit seinem Wagen an einer Reihe von auf seiner Straßenseite geparkten Autos vorbeigefahren und hatte dazu auf die Gegenfahrbahn ausweichen müssen. Die im Prozess beklagte Fahrerin kam ihm zu diesem Zeitpunkt entgegen und beide Fahrzeuge kollidierten.

Die entstandenen Reparaturkosten und sonstigen Schadensposten leistete die ebenfalls beklagte Haftpflichtversicherung der Frau außergerichtlich aber nur zum Teil. Daraufhin verlangte der Mann vor dem Landgericht (LG) Rottweil Ersatz der übrigen Kosten.

LG: Verstoß gegen Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Der Unfallhergang, insbesondere mit welchen Geschwindigkeiten beide in die Engstelle eingefahren waren und später kollidierten, ab wann das jeweils entgegenkommende Fahrzeug erkennbar gewesen war oder ob der Kläger zwischen den geparkten Fahrzeugen hätte einscheren können, waren zwischen den Parteien strittig.

Aufklären ließ sich das Ganze mit den Aufnahmen der Dashcam des klagenden Fahrers. Mithilfe der Bilder konnte ein gerichtlicher Sachverständiger bspw. die jeweiligen Geschwindigkeiten der Autos berechnen. Das LG ließ die Aufnahmen als Beweismittel allerdings nicht zu und wies die Klage ab. Es bezifferte ohne Würdigung der Bilder das Mitverschulden des klagenden Farhers mit 75 Prozent und der beklagten Fahrerin mit 25 Prozent, weshalb die Ansprüche durch die bisher gezahlten Beträge seitens der Versicherung bereits mehr als erfüllt gewesen seien (Urt. v. 30.01.2017, Az. 1 O 104/16).

Zur Begründung, warum die Aufnahmen der Kamera nicht berücksichtigt wurden, führte das LG an, die anlasslosen Aufzeichnungen der Dashcam seien wegen eines Verstoßes gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) der anderen Verkehrsbeteiligten nicht als Beweismittel im Zivilprozess zuzulassen. Die Speicherkarte der permanent aufzeichnenden Kamera werde zwar laufend neu beschrieben, so dass es zur Löschung älterer Aufnahmen komme. Diese könnten jedoch heruntergeladen werden und seien dann (z.B. in einem Cloud-Dienst) gespeichert.

OLG: "Im konkreten Einzelfall tendenziell verwertbar"

Das OLG sah dies hingegen anders und zog die Aufnahmen als Beweismittel heran. Dabei betonte der Senat aber, dass er die Mitschnitte des Klägers nur aufgrund einer Interessenabwägung "im konkreten Einzelfall tendenziell für verwertbar" halte, wie OLG-Pressesprecher Bernd Odörfer gegenüber LTO mitteilte.

Das OLG Stuttgart stellte somit eine ähnliche Überlegung an, wie in seiner Entscheidung zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen in Straf- und Bußgeldsachen. Dort hatte es ebenfalls auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abgestellt.

Der Senat hätte daraufhin das Mitverschulden anders bewerten wollen und den Parteien sodann einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den sie angenommen hätten, so Odörfer. Danach zahlt die Unfallverursacherin zwei Drittel der Schadenssumme, der klagende Fahrer nur noch ein Drittel.

Hierbei sei der Senat von der Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahmen ausgegangen, habe aber auch berücksichtigt, dass dies bei einer etwaigen Revision vom Bundesgerichtshof anders gesehen werden könne. Eine veröffentlichte Entscheidung eines höheren Gerichts zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen im Zivilprozess gebe es bisher schließlich nicht.*

mam/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

*In einer älteren Version des Artikels war die Rede von einer möglichen Revision, bevor bekannt wurde, dass sich die Parteien verglichen haben. Geändert am 20.07.2017, 9.44 Uhr.

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OLG zu Dashcams als Beweismittel: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23503 (abgerufen am: 15.06.2025 )

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