OLG Stuttgart zu negativer Google-Rezension: Man­dant bewertet Kanzlei als "absolut ent­täu­schende Erfah­rung"

22.10.2025

Ein Ex-Mandant kritisierte eine Kanzlei auf Google scharf. Das OLG Stuttgart wies ihre Unterlassungsklage ab: Es handele sich um Werturteile, keine Schmähkritik – die Meinungsfreiheit überwiege. Gerichte muten Kanzleien damit einiges zu.

Die negative Google-Rezension eines verärgerten Mandanten über die beauftragte Anwaltskanzlei ist zulässig, hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden. Zwar greife eine öffentlich abrufbare negative Rezension in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Kanzlei ein, doch die Meinungsfreiheit des Mandanten überwiege in diesem Fall (Urt. v. 29.09.2025, Az. 4 U 191/25).

Der Mann in dem Verfahren beim OLG Stuttgart hatte eine mittelständische Kanzlei im Februar 2023 für eine Kündigungsschutzklage mandatiert, weil sein Vorgesetzter ihm vorgeworfen hatte, plagiiert zu haben. Schon einen Monat nach der Mandatierung kündigte der Mandant die Zusammenarbeit mit der Kanzlei auf. Er hinterließ eine Google-Rezension mit nur einem von fünf Sternen und den Worten: "Absolut enttäuschende Erfahrung!"

Die Kanzlei klagte gegen die Bewertung vor dem Landgericht (LG) Tübingen und verlangte, dass die Rezension gelöscht werde. Gestützt war die Klage auf § 823, § 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog i. V. m. Art. 12 Grundgesetz (GG) sowie auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das LG gab dem Unterlassungsantrag statt. Das Urteil hob das OLG Stuttgart auf die Berufung des Kritikers hin nun aber auf.

In seiner Rezension bemängelte der Mandant insbesondere die schlechte Kommunikation, dass der Anwalt unvorbereitet gewesen sei sowie überhaupt seine fehlende fachliche Kompetenz. Das LG untersagte folgende Aussagen: "Ich wurde über den Stand meines Verfahrens völlig im Unklaren gelassen", "Mein Anwalt war (…) konsequent unvorbereitet", "Es war offensichtlich das keine Nachforschungen angestellt wurden", "Ich musste sie an wichtige Termine und Fristen erinnern (…)" und "Sie haben wichtige Aspekte des Arbeitsrechts falsch interpretiert und mir falsche Ratschläge gegeben". Das OLG entschied nun, dass die gesamte Rezension inklusive dieser Aussagen rechtmäßig gewesen sei.

"Auch und gerade Kritik soll ausgesprochen werden dürfen, sogar ohne dass diese belegt werden muss"

Der 4. Zivilsenat stufte sämtliche kritisierten Aussagen als Meinungsäußerungen ein. Die Äußerungen würden die Sozialsphäre eines Wirtschaftsunternehmens betreffen und setzten sich mit der Dienstleistung auseinander. Der Begriff "Meinung" sei in Betracht der Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Grundordnung grundsätzlich weit zu verstehen. Meinungen enthielten eine wertende Komponente und seien insbesondere von Tatsachenbehauptungen abzugrenzen, welche sich auf die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit beziehen. 

Die Behauptung, der Mandant sei "völlig im Unklaren" gelassen worden, betreffe ein erwartetes Verhalten, das nicht objektiv überprüfbar sei – es handle sich um eine subjektive Einschätzung und keine nachweisbare Tatsache, so das OLG. Auch die Kritik, der Anwalt sei "konsequent unvorbereitet" gewesen und habe zentrale rechtliche Punkte nicht gekannt oder recherchiert, bewertete das Gericht im Kontext als persönliche Meinung ohne konkreten Tatsachenkern. Selbst die Aussage, der Rezensent habe den Anwalt an "wichtige Termine und Fristen erinnern" müssen, enthalte zwar einen tatsächlichen Aspekt, sei im Gesamtkontext jedoch ebenfalls als Meinungsäußerung zu verstehen.

Die formulierte Kritik greife zwar in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht ein, überschreite aber nicht die Grenze zur Formalbeleidigung oder Schmähkritik. Es handle sich nicht um eine diffamierende Aussage, sondern sei lediglich als zulässige Auseinandersetzung mit der beruflichen Leistung der Kanzlei zu bewerten. "Auch und gerade Kritik soll ausgesprochen werden dürfen, sogar ohne dass diese belegt werden muss", heißt es im Urteil.

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"Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern"

Der OLG-Senat hatte auch das Resümee der ausführlichen Bewertung näher geprüft. Sowohl die Äußerung "Es war offensichtlich, dass keine wirklichen rechtlichen Nachforschungen angestellt wurden, um meinen Fall zu unterstützen, da sie es versäumten, wichtige Beweise zu sammeln, die meiner Situation sehr geholfen hätten" als auch "Sie haben wichtige Aspekte des Arbeitsrechts falsch interpretiert und mir falsche Ratschläge gegeben, die meinen gesamten Fall hätten gefährden können, wenn ich sie befolgt hätte" seien jeweils für sich geeignet, potenzielle Mandanten von einer Beauftragung der klagenden Kanzlei abzuhalten, zumindest im Fachbereich des Arbeitsrechts, so der Senat. Insbesondere weil Bewertungen häufig als ungeschönte und werbefreie Informationsquelle von potenziellen Kunden vor einer Mandatierung genutzt würden.

Die Kritik betreffe auch die Kerntätigkeit der Kanzlei. Kritisiert werde nicht nur die Kommunikation mit dem Mandanten und ein unzureichender Service, sondern auch die Qualität der anwaltlichen Arbeit als solche mit den Kernbereichen (nicht) vorhandener Rechtskenntnisse, einer (nicht) ausreichenden Vorbereitung des Mandats und die Wahrung von Fristen. Der durchschnittliche Leser bekomme durch die Lektüre der Bewertung den Eindruck, dass es sich um eine Kanzlei handelt, welche man besser nicht mandatieren sollte. Diese Empfehlung wurde auch ausdrücklich am Ende der Bewertung ausgesprochen: "Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich. Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern."

Der in all diesen Äußerungen inbegriffene Vorwurf, dass der Rechtsanwalt die rechtlichen Möglichkeiten nur unzureichend ausgeschöpft habe, habe jedoch eine hinreichende tatsächliche Grundlage. So habe der bearbeitende Rechtsanwalt einen einschlägigen Sonderkündigungsschutz gemäß § 18 Elternzeitgesetz (BEEG) nur unzureichend berücksichtigt. Insgesamt sah der Senat auch zu diesen Äußerungen eine tatsächliche Grundlage.

Auch scharfe Kritik durch juristische Laien hinzunehmen

Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung stellte der Senat fest, dass die Meinungsfreiheit des Mandanten nicht durch das Persönlichkeitsrecht der Kanzlei verdrängt werden könne. Der Senat betonte, dass Kritik erlaubt sein müsse – selbst dann, wenn sie pointiert oder überspitzt formuliert sei. Es gehöre zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG), auch scharfe Bewertungen zu äußern, ohne für jede Einzelheit einen Nachweis erbringen zu müssen.

Aus Sicht des Gerichts war zudem für den durchschnittlichen Leser erkennbar, dass die Bewertung auf Google von einem juristischen Laien verfasst wurde – und eben nicht von einer fachlich qualifizierten Person oder gar der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Der Senat unterstrich, dass öffentliche Beiträge zur Meinungsbildung bewusst Aufmerksamkeit erzeugen sollen. In einer Zeit ständiger Reizüberflutung seien daher auch zugespitzte oder besonders einprägsame Formulierungen hinzunehmen.

Die Revision hat das OLG nicht zugelassen.

Rechtsprechung mutet Rechtsanwaltskanzleien in Sachen Kritik einiges zu

Die Entscheidung schließt an aktuelle OLG-Rechtsprechung zur kritischen Bewertung von Rechtsanwaltskanzleien im Internet an. 2024 entschied etwa das OLG Bamberg, die öffentliche Bewertung eines Rechtsanwalts als "nicht besonders fähig" sei keine Schmähkritik, sondern werde ebenfalls von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch hier hinterließ der Verfasser nur einen Stern.

Sogar die Negativbewertung durch Nicht-Mandanten ist nicht per se unzulässig und darf stehen bleiben, das entschied beispielsweise das OLG Oldenburg. Die Bewertung muss dann aber den klaren Hinweis enthalten, dass kein eigenes Mandatsverhältnis bestand. 

pz/kus/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Stuttgart zu negativer Google-Rezension: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58409 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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