Wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung bittet das OLG Stuttgart Mercedes zur Kasse. Dabei geht es zur Abwechslung mal nicht um die altbekannten Thermofenster. Der Kläger im vorliegenden Fall kriegt trotzdem kein Geld.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat am Donnerstag Mercedes-Benz zum Schadensersatz verurteilt – wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Anders als in den Fällen, die dem wegweisenden Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zugrunde lagen, ging es diesmal nicht nur um die Thermofenster, sondern auch um die sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR).
Der Kläger hatte seinen "Benz" gebraucht erworben. In dem Fahrzeug waren zum Kaufzeitpunkt zwei unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut: ein sogenanntes Thermofenster und die KSR. Der Käufer verklagte daraufhin Mercedes-Benz auf Schadensersatz in Höhe von knapp 22.500 Euro. In der ersten Instanz und auch zunächst vor dem OLG verlangte er den sog. großen Schadensersatz: Er wollte den Kaufvertrag rückabwickeln und Schadensersatz in Höhe des Wertes erhalten, den das Auto eigentlich – also ohne die illegalen Abschalteinrichtungen – hätte haben sollen. Nach dem Urteil des BGH im Juni änderte der Kläger aber seinen Antrag im Berufungsverfahren und begehrte stattdessen den von den Karlsruher Richtern entwickelten Differenzschadensersatz in Höhe von 4.905 Euro.
Kein unvermeidbarer Verbotsirrtum bei KSR
Mit Blick auf das Thermofenster hat der Senat dabei ein Verschulden von Mercedes-Benz verneint. Die Hersteller hätten sich stattdessen in einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" befunden, weil die Thermofenster flächendeckend in Dieselfahrzeugen diverser Hersteller zum Einsatz gekommen waren und das Kraftfahrt-Bundesamt dies bis ins Jahr 2020 nicht beanstandet hatte.
In Bezug auf die KSR sah der Senat das aber anders. Die Einrichtung sorgt dafür, dass das Kühlmittel nach langem Stillstand langsamer erhitzt wird und so weniger Schadstoffe erzeugt. Vergleichbare Umstände wie beim Thermofenster, die auch hier einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Herstellers nahegelegt hätten, gebe es bei KSR nicht. Zudem habe Mercedes einen beachtlichen Rechtsirrtum über die Zulässigkeit der Einrichtung gar nicht erst dargelegt.
In seinem Urteil orientierte sich das OLG Stuttgart an den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.03.2023, Az. C-100/21) und des BGH (Urt. v. 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) und sprach dem Kläger einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) zu.
Erfolg für Diesel-Kunden – aber nicht für den Kläger
Wer ein Auto mit einer verbauten KSR gekauft hat, kann also grundsätzlich Schadensersatz verlangen – ein gutes Signal für Diesel-Kunden. Doch im vorliegenden Fall geht der Kläger trotz seines Erfolges weitgehend leer aus: Von den begehrten knapp 5.000 Euro sprach ihm das OLG Stuttgart nur 254,28 Euro zu – und von denen bleibt nichts übrig, denn er muss die Prozesskosten für die zwei Instanzen zahlen.
Der Grund: Der Mann ist hat seinen "Benz" gut genutzt: Mehr als 100.000 Kilometer sind seit dem Kauf hinzugekommen, schließlich hat er das Fahrzeug weiterverkauft. Auf Grundlage der schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung musste er sich die Nutzungen und den Erlös anrechnen lassen. Dass die Vorteile des Käufers bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden, hatte auch der BGH in seiner Diesel-Entscheidung gefordert. Weil seine Klage also nur in Höhe von gut einem Prozent des ursprünglich geforderten Betrags erfolgreich war, hat das OLG dem Mercedes-Fahrer gemäß §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Verfahrenskosten aufgebrummt.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, die Entscheidung des OLG Stuttgart ist damit rechtskräftig. Vor dem OLG Stuttgart sind noch vier weitere Verfahren anhängig, in denen es um den Einbau von KSR in Mercedes-Fahrzeuge geht. Auch in diesen Verfahren ließ die vorläufige Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht vermuten, dass die Dieselkunden trotz zugesprochenen Anspruchs letztlich leer ausgehen, wenn erst einmal die Vorteile mit Schadensersatz verrechnet wurden. Die Urteile dürften demnach ähnlich ausgehen wie in diesem Fall.
lmb/LTO-Redaktion
OLG Stuttgart verurteilt Mercedes: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52962 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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