Die seit neustem geltenden, liberaleren Regeln zum Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr wirken: Ein Mann, der noch nach alter Regelung zu einer Geldbuße und dreimonatigem Fahrverbot verurteilt war, wurde in zweiter Instanz freigesprochen.
Der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat einen 40-Jährigen aus dem Landkreis Leer in zweiter Instanz vom Vorwurf des Fahrens unter Cannabiseinfluss freigesprochen (Beschl.v. 29.08.2024, Az. 2 ORbs 95/24). Die Entscheidung wurde am Donnerstag veröffentlicht.
Zuvor hatte der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Emsland Einspruch eingelegt. Zunächst ohne Erfolg: Vom Amtsgericht (AG) Papenburg wurde der Mann wegen einer Autofahrt unter Cannabiseinfluss (§ 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG)) zu einer Geldbuße von 1.000 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.
Das AG hatte festgestellt, dass der Betroffene mit einem THC-Wert von 1,3 Nanogramm je Milliliter (ng/ml) Blutserum ein Fahrzeug geführt hatte. THC gilt als die psychoaktive Substanz des Hanfs und macht den Hauptteil der berauschenden Wirkung aus.
StVG-Änderung seit 22. August in Kraft
Gegen dieses Urteil ging der Mann im Wege der Rechtsbeschwerde vor, über die nun der für Bußgeldsachen zuständige Senat des OLG zu entscheiden hatte. Vor diesem Gericht kam dem Autofahrer eine zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung zugute: Denn als das Amtsgericht am 9. Februar 2024 sein Urteil verkündete, galt für Autofahrten unter Cannabiseinfluss noch ein Grenzwert von 1,0 ng/ml.
Am 22. August 2024 jedoch – und damit nach dem Urteil des AG, aber vor der Entscheidung des OLG – trat im Zuge der Cannabis-Teillegalisierung eine Gesetzesänderung in Kraft, die den Grenzwert für Fahrten unter Cannabis-Einfluss anhob und auf 3,5 ng/ml änderte (§ 24a Absatz 1a Straßenverkehrsgesetz).
Diese sich zugunsten des Autofahrers auswirkende Gesetzesänderung musste das OLG nun aufgrund einer gesetzlichen Anordnung nach § 4 Abs.3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten berücksichtigen. Denn darin heißt es: "Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden."
Da der THC-Gehalt des Betroffenen also unterhalb des neuen Grenzwertes lag, hob der OLG-Senat das Urteil des AG auf und sprach den Betroffenen frei.
3,5 ng/ml sind immer noch ein "konservativer Ansatz"
Der seit Ende August geltenden neuen Rechtslage waren monatelange Diskussionen in Fachwelt und Politik vorausgegangen. Erst nach der bereits zum 1. April in Kraft getretenen Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten bei Besitz und Eigenanbau hatte sich die Ampel auch auf eine Liberalisierung im StVG verständigt.
In der Praxis hatte der bisher geltende niedrige THC-Wert von 1,0 ng/ml für die Betroffenen oft fatale Auswirkungen: Sogar Autofahrer, deren Cannabis-Konsum schon länger zurücklag und die sich nicht im berauschten Zustand ans Steuer begeben hatten, mussten mit empfindlichen Sanktionen rechnen.
Solche drohen künftig zwar erst ab 3,5 ng/ml. Doch auch mit dem angehobenen Grenzwert werden autofahrende Cannabis-Konsumenten weiter härter sanktioniert als Autofahrer, die sich unter Alkoholeinfluss ans Steuer setzen. Diese begehen – soweit es sich nicht um Fahranfänger handelt – erst ab 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit. Bei dem THC-Wert von 3,5ng/ml handelt es sich jedoch nach Ansicht von Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.
In der Begründung zur neuen Rechtslage heißt es zum Wert von 3,5ng/ml: "Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt."
OLG Oldenburg zum Fahren unter Cannabis-Einfluss: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55393 (abgerufen am: 06.10.2024 )
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