OLG Naumburg zu antijüdischem Kirchenrelief: "Judensau"-Plastik darf bleiben

04.02.2020

Die umstrittene Skulptur an der Stadtkirche Wittenberg muss nicht beseitigt werden. Das OLG Naumburg entschied, dass die Sandsteinplastik in ihrem aktuellen Kontext keinen beleidigen Charakter aufweise.

Das antijüdische Relief an der Wittenberger Stadtkirche muss nicht entfernt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg wies am Dienstag die Berufung eines Mannes gegen die evangelische Stadtkirchengemeinde zurück. Er wollte erreichen, dass letztere die Schmähplastik zu entfernen habe. Die als "Judensau" bezeichnete Sandsteinplastik, die im 13. Jahrhundert entstanden ist, sei isoliert betrachtet zwar eine Beleidigung, entschied das Gericht nun. Jedoch habe sie als Teil eines heutigen Mahnmals, dem auch eine Erklärtafel mit einordnenden Erläuterungen angehört, keinen beleidigenden Charakter mehr, heißt es in der Urteilsbegründung des 9. Zivilsenats (Urt. v. 04.02.2020, Az. 9 U 54/19).

Der heute 77-jährige Bonner Jude Michael Düllmann hatte gegen die Kirchengemeinde als Eigentümerin der Kirche auf Beseitigung der "Judensau"-Skulptur geklagt. Er hatte argumentiert, die Schmähplastik sei eine Beleidigung von Menschen jüdischen Glaubens, diffamiere das Judentum und symbolisiere täglich den Antisemitismus in der Kirche und in der Gesellschaft. Er berief sich auf § 823 BGB i.V.m. § 1004 BGB. Als Schutzgesetz wirke hier § 185 StGB (Beleidigung).

Das OLG bestätigte nun aber das klageabweisende Urteil der Vorinstanz. Zwar habe das Relief ursprünglich unstreitig den Zweck verfolgt, die Juden verächtlich zu machen. Heute sei dies aber nicht mehr der Fall. Das Relief sei Teil eines Ensembles, das eine andere Zielrichtung der Kirchengemeinde erkennen lasse. Eine Informationstafel bringe unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Kirche sich von den Judenverfolgungen, den antijudaistischen Schriften Martin Luthers und der verhöhnenden Zielrichtung der Schmähplastik distanziere. Dies werde durch das im Jahr 1988 enthüllte Mahnmal unterhalb der Schmähplastik noch bekräftigt, so das Gericht.

Senat lässt Revision zum BGH zu

Bereits bei der Verhandlung im Januar zeichnete sich ab, dass das Gericht die Berufung zurückweisen würde. Düllmann hatte unter anderem argumentiert, dass eine Beleidigung auch dann eine Beleidigung bleibe, wenn man sie kommentiere. Dies kann man laut OLG aber nicht allgemein und ausnahmslos so gelten lassen. "Konsequent angewendet stünde dieser Gedanke auch der vom Kläger befürworteten Ausstellung der Schmähplastik in einem Museum entgegen", hieß es in der Gerichtsmitteilung zur Entscheidung.

Auch der Gefahr, die Plastik könne als Element der religiösen Verkündigung wahrgenommen werden, sei durch ihre Einbindung in das Ensemble aus Mahnmal, Informationstafel und Relief entgegengewirkt, so das OLG. Eine Kommentierung des historischen Kontextes könne die ursprünglich beleidigende Wirkung neutralisieren. Dies sei bei der Wittenberger Schmähplastik der Fall.

Zugleich ließ der 9. Zivilsenat des OLG eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zu. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

OLG Naumburg zu antijüdischem Kirchenrelief: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40117 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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