OLG Naumburg gibt VW-Käufer Recht: Sit­ten­wid­rige Schä­d­i­gung auch bei Gebraucht­wa­gen­kauf

22.10.2019

Das OLG Naumburg billigt dem Käufer eines gebrauchten VW Tiguan nun Schadensersatz zu. Der Konzern habe im Rahmen des Abgasskandals nicht nur Neuwagenkäufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

In einem am Dienstag veröffentlichten Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg entschieden, dass die Volkswagen AG dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen gebrauchten VW Tiguan TDI zum Schadensersatz verpflichtet ist (Urt. v. 27.09.2019, Az. 7 U 24/19). Nach Auffassung des Senats kann der Käufer die Erstattung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung gegen die Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs an VW verlangen.

Laut Senat ergibt sich der Anspruch aus dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung und damit den §§ 826, 31 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). VW habe die vom Abgasskandal betroffenen Dieselmotoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht und damit den Eindruck erweckt, dass das Auto den behördlichen Zulassungsprozess ohne Manipulation durchlaufen habe. In dieser Erwartung werde der Kunde aber getäuscht, so das Gericht. Auch das von VW später kostenlos angebotene und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) abgesegnete Softwareupdate kompensiere den Schaden des Käufers nicht.

Käufer muss sich Wagennutzung anrechnen lassen

Die in der Verwendung der Abschalteinrichtung angelegte Täuschung wirkt sich nach Auffassung des Senats zudem bei sämtlichen Veräußerungen des Fahrzeugs aus – und somit auch bei dem klagenden Mann, der das Fahrzeug gebraucht gekauft hatte. So hatte auch das OLG Stuttgart kürzlich in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden. Auch hinsichtlich des Schädigungsvorsatzes entschieden die Naumburger Richter ähnlich wie im Stuttgarter Fall: Die Entwicklung der Software, die die Abschalteinrichtung steuert, sei mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstandes oder sonstigen VW-Repräsentanten erfolgt. Dazu, wie es zur Planung und Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen sein könnte, trug VW nach Ansicht des Gerichts auch nicht ausreichend vor.

Die Höhe des Schadensersatzes hat der Senat unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs bemessen. Der Kläger müsse sich den Wert der von ihm seit dem Erwerb des Fahrzeugs gezogenen Nutzung anrechnen lassen. Eine Nutzung indes nicht anzurechnen, werde der Zielsetzung des deutschen Schadensersatzrechts nicht gerecht, entschied das OLG weiter. Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung sei ausschließlich der Schadensausgleich, nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten oder eine Bestrafung des Schädigers.

In den vergangenen Monaten haben diverse Gerichte die Ansicht vertreten, dass VW durch den Einbau einer manipulierten Abschaltvorrichtung seine Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, zuletzt etwa die OLG in Koblenz und Köln. Anfang September sprach dann auch das OLG Hamm einer Kundin Schadensersatz auf dieser Grundlage zu - und das, obwohl zum Zeitpunkt des Kaufs bereits über den Abgasskandal berichtet worden war.

Das OLG ließ die Revision zu.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Naumburg gibt VW-Käufer Recht: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38305 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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