25.000 Euro sollten für ein Ritual bei einer Schamanin gezahlt werden. Das OLG München bewertet den Vertrag jedoch als sittenwidrig und rät zu einem Vergleich.
Was darf Übersinnliches kosten? Das Oberlandesgericht München (OLG) hat sich mit einer Rechnung über 25.000 Euro für ein Schamanen-Ritual befasst.
Warum sie den Vertrag unterschrieben hat, wisse sie heute auch nicht mehr. "Da hätten doch alle Alarmglocken angehen müssen", sagt die 54-Jährige. "Aber ich hatte das Gefühl, dass ich das machen muss, weil mir sonst keiner helfen kann." Im vergangenen Jahr, so berichtet sie, wendete sie sich an eine Schamanin. Eine Bekannte habe ihr von der Frau erzählt. Nach vier Autounfällen habe sie jahrelang unter starken Schmerzen gelitten. Die Schamanin habe dann davon gesprochen, dass sie "besessen" sei. Ein Schamanen-Ritual könne helfen. 25.000 Euro verlangte sie dafür. Die 54-Jährige war erst abgeschreckt - und legte die Anzahlung von 12.500 Euro dann doch bar auf den Tisch.
Als sie dann noch einmal mit ihrer Bekannten gesprochen habe, habe sie aber Zweifel bekommen. Kurz bevor es losgehen sollte, sagte sie das Ritual per WhatsApp ab und forderte die 12.500 Euro zurück. Doch die Schamanin wollte das Geld behalten. Sie gab an, selbst Ausgaben für das geplante Ritual gehabt zu haben und die Frau sei den Vertrag schließlich aus freien Stücke eingegangen. Die 54-Jährige klagte auf Rückzahlung.
Das Landgericht Traunstein wies die Klage auf Rückzahlung in erster Instanz ab (Urt. v. 05.04.2019, Az. 9 O 2789/18) - doch das OLG sieht die Sache anders. Als "sittenwidrig" betrachtet das Gericht den Vertrag, wie der Vorsitzende Richter am Dienstag sagte, bevor er der Schamanin "dringend" empfahl, einem Vergleich zuzustimmen und 7.500 Euro aus der Anzahlung zurückzugeben. "Alternative wäre, dass Sie die 12.500 Euro zurückzahlen." Das Gericht bezieht sich in seiner Einschätzung der Rechtslage vor allem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2011, wonach die Hürden für eine Sittenwidrigkeit bei Verträgen um esoterische Leistungen wie das Kartenlegen nicht zu hoch gelegt werden dürfen.
Es ist eine Einschätzung, die die Anwältin der Schamanin empört. Der Schamanismus sei "eine internationale, kulturelle Tradition, die älter ist als Europa", sagte sie vor Gericht. Die Anwältin widersprach der Auffassung des Gerichts entschieden und legte eine Schweizer Studie zur wissenschaftlichen Belegbarkeit der Wirksamkeit von Schamanismus-Ritualen vor. "Das ist kein Hokuspokus." Für das Gericht hat sie deutliche Worte: "Nach meiner Meinung machen Sie sich nicht genügend Mühe. "
Was genau die Klägerin für 25.000 Euro überhaupt bekommen hätte, bleibt auch am Ende des Verhandlungstages unklar. Für einen Tag sei das Ritual angesetzt gewesen, sagt die 54-Jährige. Als Ort sei eine leerstehende Fabrikhalle irgendwo am Chiemsee angegeben gewesen. Ein Nachthemd habe sie mitbringen sollen. Die Schamanin selbst beruft sich auf die Schweigepflicht und gibt an, die Rituale seien stets individualisiert. Ihr Kollege verteilte nach der Verhandlung Visitenkarten: "Kommen Sie doch in unserer Praxis vorbei und schauen Sie sich das objektiv an."
dpa/ast/LTO-Redaktion
Übersinnliche Schmerzbehandlung: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39169 (abgerufen am: 12.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag