Mehr als fünf Jahre nach der Notrettung der Hypo Real Estate hat am Montag in München der milliardenschwere Musterprozess um Schadensersatz-Forderungen begonnen. Ehemalige Aktionäre der mittlerweile verstaatlichten Immobilienbank werfen dem Unternehmen vor, viel zu spät auf die Belastungen durch die Finanzkrise hingewiesen zu haben. Sie fordern eine Entschädigung für die massiven Kursverluste ihrer Aktien.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat die Flut der Klagen in einem Musterprozess gebündelt, um zentrale Fragen der Beweisaufnahme damit für alle Verfahren klären zu können. In dem Prozess soll am 6. Februar auch der ehemalige HRE-Chef Georg Funke vernommen werden. Er war nach dem Desaster bei der HRE von München nach Mallorca gezogen und handelt dort mit Ferienimmobilien. Der Termin wäre sein erster öffentlicher Auftritt in Deutschland seit der Krise.
Die Kläger fordern eine Entschädigung für die massiven Kursverluste ihrer Aktien, die früher im deutschen Leitindex Dax notiert waren. Am 15. Januar 2008 hatte die HRE in einer Pflichtmitteilung massive Belastungen bekanntgegeben und damit die Börse geschockt. Innerhalb eines Tages brach die Aktie um mehr als ein Drittel ein und sackte danach weiter ab. Viele Aktionäre verloren dadurch ein Vermögen und fordern nun einen Ausgleich für ihren finanziellen Schaden.
Informationspolitik auf dem Prüfstand
Nach Ansicht ehemaliger Anleger hat das Management um den damaligen Chef Georg Funke bereits vor Weihnachten 2007 von den Problemen gewusst, die Öffentlichkeit aber nicht in ausreichendem Maß informiert. Die HRE als Beklagte sieht das anders. "Nach Überzeugung der HRE war die Kommunikation zu jedem Zeitpunkt angemessen. Diese Position werden wir vor Gericht vertreten", hatte ein Sprecher vor Verfahrensbeginn gesagt.
Neben Akten und Pflichtmitteilungen stehen auch Pressemitteilungen und Äußerungen von Managern im Mittelpunkt der Beweisaufnahme. So etwa eine Mitteilung vom 3. August 2007, in der die HRE betonte, keine Belastungen aus der Finanzkrise in den USA zu erwarten. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass diese Aussagen zu positiv waren, sagte der Vorsitzende Richter Guido Kotschy. Genaueres müsse nun geklärt werden. Der Musterprozess soll beispielhaft für alle Anlegerklagen gegen die HRE zentrale Fragen klären.
Eine Milliarde Schadensersatz
Musterkläger für die Aktionäre ist der Jurist Christian Wefers aus Nordrhein-Westfalen, der für mehrere Kapitalanlagefonds aus Deutschland und anderen Ländern auftritt. Rund 90 Anleger hatten ihre Ansprüche von insgesamt rund 900 Millionen Euro an ihn abgetreten. Dieses Geld plus Zinsen wollen sie zurück. Damit geht es inzwischen um eine Summe von mehr als einer Milliarde Euro.
Am LG gingen nach dem HRE-Drama unzählige Schadensersatzklagen ehemaliger Anleger ein. Sollte ihre Musterklage vor Gericht Erfolg haben, würde das vermutlich Finanzlöcher reißen, für die wohl der Bund als Eigentümer aufkommen müsste - letztlich also die Steuerzahler.
dpa/mbr/LTO-Redaktion
OLG München startet Musterprozess: . In: Legal Tribune Online, 03.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10867 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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