Als der Verkäufer eines Ferraris per WhatsApp beichtete, dass das Auto später kommen werde, antwortete der Käufer mit dem Grimasse schneidenden Emoji. Das kann vieles bedeuten, aber bestimmt keine Zustimmung zur Lieferverzögerung, so das OLG.
Schickt man das Grimasse schneidende Emoji per WhatsApp, dann signalisiert man damit vielleicht Nervosität oder Unbehagen, aber sicher keine Zustimmung zur Lieferverzögerung eines bestellten Ferraris. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden (Urt. v. 11.11.2024, Az. 19 U 200/24 e).
In dem Fall ging es um den Verkauf eines Ferraris (Typ SF90 Stradale). Der Kaufvertrag sah als Liefertermin das "2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)" vor. Der in dem Fall klagende Käufer durfte den später beklagten Verkäufer laut Kaufvertrag erst anmahnen, wenn dieser unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist.
In der Folge führten die Parteien eine Konversation per WhatsApp. Ende September 2021 schrieb dort der Verkäufer: "Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022". Daraufhin antwortete der Käufer mit "Ups" und dem Grimasse schneidenden Emoji.
Das erste Halbjahr 2022 kam, was auch dem Käufer nicht entgangen war. Auf seine Nachfrage hin, wo denn der Ferrari bleibe, antwortete der Verkäufer, dass eine Abwicklung ab dem 9. Mai stattfinden könne. Der Käufer antwortete knapp mit "passt". Noch am 9. Mai teilte der Verkäufer jedoch mit, dass der Ferrari fehlerhafte Batterien habe und so nicht ausgeliefert werden könne.
Das passte dem Käufer dann nicht mehr: Per Schreiben setzte er eine Lieferfrist bis zum 24. Mai. Danach behalte er sich vor, vom Vertrag zurückzutreten, was er am 1. Juni dann auch tat.
Lieferfristverlängerung per Smiley bestätigt?
Der Fall landete sodann vor dem Landgericht München II. Der Käufer des Ferraris klagte auf Rückzahlung seiner Anzahlung. Der Verkäufer erhob Widerklage auf Schadensersatz. Er habe den Ferrari anderweitig verkauft, allerdings zu einem niedrigeren Preis. Die Differenz sei sein Schaden.
Vor dem LG bekam der Verkäufer noch Recht, doch das OLG war anderer Meinung. Der Käufer sei wirksam vom Vertrag zurückgetreten.
Die Begründung des OLG: Die Übergabe und Übereignung des Ferraris sei spätestens zum 31. März 2022 fällig gewesen. Entsprechend konnte ab dann der Käufer per einfacher Mahnung den Verkäufer in Verzug setzen. So interpretierte jedenfalls das OLG den WhatsApp-Chatverlauf. Der Verkäufer war dagegen der Meinung, dass sich durch das Grimasse schneidende Emoji und dem übrigen Wortwechsel eine einvernehmliche Lieferfristverlängerung bis zum 30. Juni ableiten lasse.
Das sah das OLG anders. Zwar sei strittig, ob WhatsApp-Nachrichten das Schriftformerfordernis nach § 127 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wahren können, was das OLG bejahte. Allerdings habe der Käufer unabhängig davon mit der Verwendung des Grimasse schneidenden Emojis jedenfalls keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung bis zum 30. Juni erteilt.
Grimassen-Emoji steht für Nervosität oder Verlegenheit
Zwar könne eine Willenserklärung auch per Zeichen stattfinden, so das OLG, also auch per Emoji. Emojis erfüllen laut Urteil "im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen". Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, sei aber eine Frage der Auslegung.
Das OLG bezieht sich dabei auch auf einen LTO-Artikel zu dem Thema. Wie immer sei daher zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB verstehen durfte. Der Grimasse schneidende Emoji zusammen mit "Ups" jedenfalls ist laut OLG nicht als Zustimmung für eine Lieferfristverlängerung auszulegen. Das OLG bezieht sich dabei auf das Emoji-Lexikon Emojipedia, demzufolge das Grimasse schneidende Emoji grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen darstellt, etwa Nervosität oder Verlegenheit. Auch "Ups" sei keinesfalls als Zustimmung einzuordnen, allenfalls als Ausruf oder Überraschung.
Aus dem sonstigen Chatverlauf sei ebenfalls keine Zustimmung erkennbar. Entsprechend sei der Käufer wirksam zurückgetreten, er bekommt die Anzahlung zurück. Die Widerklage des Verkäufers dagegen sei unbegründet. Er bekommt den Schaden nicht ersetzt. Das OLG betont: "Es handelt sich hier um eine Einzelfallentscheidung".
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pdi/LTO-Redaktion
OLG München legt Chatverlauf aus: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55975 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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