OLG Köln zu ärztlicher Aufklärungspflicht: Sch­mer­zens­geld für Haar­ver­lust nach Chemo

23.03.2016

Das OLG Köln hat eine Krebspatientin 20.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die Frau litt in Folge einer Chemotherapie an dauerhaftem Haarverlust. Die Ärzte hätten sie unzureichend über dieses Risiko aufgeklärt, so das Gericht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat einer Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro wegen dauerhaften Haarverlusts nach einer Chemotherapie zugesprochen (Urt. v. 21.03.2016, Az. 5 U 76/14). Grund für die Ersatzpflicht des verklagten Krankenhauses sei aber nicht ein Behandlungsfehler, sondern die unzureichende Aufklärung durch die Klinikärzte über die Risiken des verwendeten Krebsmedikamentes. Anders als bei den meisten Chemotherapien war der Haarausfall nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft.

Die Patientin hatte sich wegen Brustkrebs im Krankenhaus operieren lassen. Die anschließende Chemotherapie führten die behandelnden Ärzte mit einem damals recht neuen und besonders wirksamen Medikament durch. Nach der Behandlung trat bei der Frau ein dauerhafter Haarverlust ein. Körperbehaarung, Wimpern und Augenbrauen fehlen seitdem fast vollständig. Das Kopfhaar wächst nur teilweise nach. Über dieses Risiko hatten sie die Ärzte nicht aufgeklärt.

3,2 Prozent Wahrscheinlichkeit genügt

Das Landgericht hatte die Klage zuvor abgewiesen. Es war der Auffassung, dass es zum Behandlungszeitpunkt keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts gegeben habe.

Das OLG hat die Situation aber anders bewertet. Nach den vom Hersteller zum Behandlungszeitpunkt veröffentlichten Fachinformationen für Ärzte habe die Gefahr bestanden, dass als Folge des Medikaments ein dauerhafter Haarausfall eintreten würde. Im Rahmen einer Studie hätte sich bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 55 Monaten bei 3,2 Prozent der Patientinnen dauerhafter Haarausfall eingestellt. Dieser Umstand hätte einem sorgfältigen, senologisch tätigen Gynäkologen bekannt sein und im Rahmen des Aufklärungsgesprächs auch der Patientin mitgeteilt werden müssen.

Frau hätte sich in einem "echten Entscheidungskonfilkt" befunden

Patienten müssten vor einer ärztlichen Behandlungsmaßnahme "im Großen und Ganzen" wissen, worauf sie sich einlassen. Über das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts sei auch dann aufzuklären, wenn es sich selten verwirkliche. Die Komplikation würde, sofern sie eintritt, Patienten meist schwer belasten und daher für die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung eine große Rolle spielen.

Der Einwand des Krankenhauses, dass sich die Patientin auch bei vollständiger Aufklärung für die Chemotherapie mit dem Medikament entschieden hätte, blieb vor dem OLG ohne Erfolg. Nach einer intensiven Befragung der Frau hatte es der Senat für plausibel gehalten, dass sie sich im Fall einer vollständigen Aufklärung in einem "echten Entscheidungskonflikt" befunden hätte. Es sei nicht sicher, dass sich die Patientin bei der Abwägung zwischen einer abstrakten höheren Überlebenswahrscheinlichkeit mit dem Medikament und dem geringen, aber konkreten Risiko des dauerhaften Haarverlustes auch bei vollständiger Aufklärung für diese Therapie entschieden hätte.

Bei der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigten die Richter insbesondere, dass es bei der Klägerin zu erheblichen und nachhaltigen psychischen Folgen und seelischen Belastungen aufgrund des Haarverlustes gekommen ist.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Köln zu ärztlicher Aufklärungspflicht: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18876 (abgerufen am: 08.12.2024 )

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