OLG Köln sieht unzulässige Berichterstattung: Bild berich­tete rechts­widrig über Tier­schutz­ve­rein

von Pauline Dietrich, LL.M.

25.02.2025

Ein vorsätzlicher Spendenaufruf für eine bereits verstorbene Katze? Dies und mehr ließ die Bild ihre Leser über Cats Karma glauben. Ungewöhnlich: Das OLG Köln untersagte so viele Aussagen, dass der gesamte Artikel offline genommen wurde.

"Substanzarmer Vorwurf", "Behauptung nicht glaubhaft gemacht", "keine zulässige Verdachtsberichterstattung" – das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln über einen Artikel auf bild.de und in der Bild am Sonntag (BamS) liest sich wie eine Schlagwortsammlung für die Bezeichnung rechtswidriger Berichterstattung: Ganze elf Aussagen und ein Foto sind der Bild im einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt worden – und damit so gut wie der gesamte Artikel. Der Kern des Urteils: rechtswidrige Berichterstattung über Betrugsvorwürfe (Urt. v. 31.10.2024, Az. 15 W 99/24).

Der Artikel, der inzwischen offline ist, erschien im August 2024 auf bild.de und in der BamS. Er handelt von einem Katzenschutzverein auf Mallorca, Cats Karma e.V.. Seit dem Jahr 2018 kümmert sich Cats Karma um mallorquinische Straßenkatzen. Nach eigenen Angaben betreut der Verein mit einem rund 40-köpfigen Team ehrenamtlicher Helfer inzwischen rund 450 Katzen und füttert und versorgt zusätzlich rund 1.000 Katzen, die noch auf der Straße leben.

Bekannt ist der Verein insbesondere durch Fernsehen und Social Media. Gegründet hat ihn Sina Hoffmann, bekannt aus der Fernsehshow "Goodbye Deutschland". Doch eine andere Teilnehmerin dieser Sendung und eine dahinterstehende Facebook-Gruppe werfen Cats Karma Verstöße gegen Tierschutz sowie Steuerhinterziehung und Betrug vor. Nach eigenen Angaben ist Hoffmann Opfer von Hass, Hetze und Todesdrohungen.

"Unser Verein stand kurz vor dem Aus"

Jetzt aber konnte Cats Karma einen umfassenden presserechtlichen Erfolg vor dem OLG Köln gegen den Verlag Axel Springer, zu dem bild.de und die BamS gehören, verbuchen: Aussagen aus einem Artikel auf bild.de und in der BamS in einem äußerst negativen Artikel über Cats Karma werden damit per einstweiliger Verfügung untersagt. Das OLG entschied, dass die Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht des Vereins  (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt und erkannte Unterlassungsansprüche an ( § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog). Das Landgericht (LG) Köln hatte in der ersten Instanz fünf Aussagen untersagt (Beschl. v. 03.09.2023, Az. 28 O 175/24), das OLG dann weitere sieben.

Prof. Dr. Elmar Schuhmacher von der Kanzlei LST Schuhmacher & Partner hat Axel Springer in diesem Verfahren vertreten und spricht gegenüber LTO von einem "nicht seltenen Fall im Presserecht, welches bekanntlich sehr stark von Bewertungen und Abwägungen im Einzelfall geprägt ist".

In der Praxis hatte der Artikel offenbar große Auswirkungen: Gegenüber LTO spricht der Cats Karma davon, dass seit dem Artikel "Spenden enorm eingebrochen" seien. "Kooperationen sind abgesprungen, Promis und Influencer unterstützen uns nicht mehr, Patenschaften für Katzen wurden gekündigt und wir mussten ganz viele Notfälle ablehnen, die dann wahrscheinlich elendig auf der Straße gestorben sind. Für unsere Bestandskatzen mussten wir teilweise kostspielige Behandlungen abbrechen und auch einige aus Kostengründen einschläfern. Unser Verein stand kurz vor dem Aus und kämpft immer noch jeden Tag. Denn die Falschaussagen kursieren immer noch im Internet."

Lesern wird strafbarer Betrug nahegelegt

Um unter anderem folgende Aussagen ging es: Im Bild-Artikel mit der Überschrift “Das miese Geschäft mit Mallorca-Katzen” hieß es, dass "wochenlange Recherchen von BILD am SONNTAG hinter die Fassade eines Vereins blicken, der vom rechten Weg abgekommen zu sein scheint". Cats Karma solle "Gesetze ignorieren, Kritiker bedrohen lassen und mit dubiosen Methoden Spendengelder einsammeln". Angeführt wird insbesondere "der Fall Puschel" – also einer schwerkranken Katze, für die zunächst auf Instagram zu Spenden aufgerufen wurde. Doch kurze Zeit nach dem Spendenaufruf vermeldete Cats Karma ebenfalls auf Instagram, dass Puschel verstorben sei und dankte für die Spenden. Kurz darauf wurde auf TikTok jedoch erneut um Spenden für Puschel geworben, bis auch da der Tod vermeldet wurde. 

Die Berichterstattung der Bild über den Fall Puschel hat das OLG nun untersagt, es sei rechtswidrig berichtet worden. Bild konnte laut OLG nicht nachweisen, dass die Verantwortlichen für das Social-Media-Video zu Puschel vorsätzlich gehandelt haben, also vorsätzlich um Spenden für eine bereits verstorbene Katze gebeten haben. Tatsächlich hatte Cats Karma allerdings im Verfahren dargelegt, dass das kurzzeitige Einwerben von Spenden für die bereits verstorbene Katze lediglich darauf beruhte, dass eine ehrenamtliche Helferin den Spendenaufruf auf Instagram zwei Wochen später auf den TikTok-Account des Vereins übertragen hatte und zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass das Tier bereits verstorben war. 

Nur gut 24 Stunden später wurde hiernach auch auf TikTok mitgeteilt, dass die Katze nicht mehr am Leben sei. Zudem seien in diesem kurzen Zeitraum via TikTok überhaupt keine Spenden für das Tier generiert worden. Die Bild verteidigte sich damit, gar nicht ausdrücklich behauptet zu haben, dass Verantwortliche bei Cats Karma die Betrachter des Social-Media-Videos vorsätzlich getäuscht zu haben. Doch nach dem OLG werde dem Leser eine vorsätzliche Täuschung als unabweisbare Schlussfolgerung nahegelegt. Das OLG betont, dass mit der Art und Weise der Schilderung des "Falls Puschel" rechtswidrig über einen angeblich begangenen strafbaren Betrug berichtet wird – zumal im Artikel behauptet wird, dass die Geschichte kein Einzelfall sei und außerdem ein Strafrechtler zitiert wird, der von einem "strafbaren Betrug" spricht, "wenn darüber getäuscht wird, eine Katze sei am Leben und benötige Geld für eine medizinische Behandlung, obwohl diese bereits verstorben ist". 

Schlagzeile untersagt

Nach Ansicht des OLG liegen auch die Voraussetzungen einer zulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung nicht vor. Die Berichterstattung sei nicht ausgewogen und enthalte eine Vorverurteilung. Der Leser, dem der “Fall Puschel” als Beleg dafür vorgestellt werde, wie das vermeintliche “Geschäft” des Verfügungsklägers funktioniere, werde nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass ein Täuschungsvorsatz nicht nachgewiesen sei. 

Auch die Überschrift wird Bild untersagt ("Das miese Geschäft mit den Mallorca-Katzen"). Aus dieser und aus der zweiten Überschrift ("Deutscher Verein sammelt bei TikTok Spenden für tote Tiere") erschließe sich, dass sich die Überschrift auf den "Fall Puschel" bezieht. Deshalb sei die Überschrift Bestandteil der rechtswidrigen Berichterstattung über Betrugsvorwürfe. Durch die Überschrift und die Bewertung des Vorgangs als "mieses Geschäft" werde der unabweisbare Eindruck eines vorsätzlichen Handelns weiter verstärkt. 

Ebenfalls untersagt wird Bild die Äußerung "Cats Karma (…) soll Kritiker bedrohen lassen". Durch das Wort "soll" könne der durchschnittliche Leser auf die Idee kommen, Cats Karma habe andere Personen dazu veranlasst, Kritikern des Vereins eine Gewaltanwendung oder zumindest irgendein anderes empfindliches Übel in Aussicht zu stellen. Doch dem Verein wurde seitens Bild laut OLG keine hinreichende Gelegenheit zur Stellungname eingeräumt. Etwaige Nachweise hätten dem Verein vor Veröffentlichung der Berichterstattung konkret gezeigt werden müssen, was nicht geschehen ist. Entsprechend konnte der Verein die Vorwürfe auch nicht prüfen. Im Verfahren hat er diese unter Vorlage mehrerer eidesstattlicher Versicherungen vehement zurückgewiesen.

"Immense Schäden"

Das Verfahren beinhaltete – ungewöhnlich im einstweiligen Rechtsschutz – eine mündliche Verhandlung, das Urteil ist rechtskräftig. "Da die Sache nach diesseitiger Auffassung auch keinerlei Fragen grundsätzlicher Natur aufwirft, die aus unserer Sicht unbedingt einer weiteren gerichtlichen Klärung bedurft hätten, um 'Beinfreiheit' für vergleichbare Berichterstattungen zu erlangen, hat sich unsere Mandantin daher aus reinem Erledigungsinteresse dann dazu entschlossen, die Angelegenheit keiner weiteren Überprüfung im Instanzenzug eines Hauptsacheverfahrens unterziehen zu lassen", so der Prozessvertreter von Axel Springer und Medienrechtsexperte Prof. Schuhmacher. Der Anwalt von Cats Karma, Dr. Sebastian Gorski, LL.M. von der Kanzlei Von Have Fey Rechtsanwälte wertet die Entscheidung des OLG gegenüber LTO anders: Das Aufgeben von Axel Springer unterstreiche, dass die Berichterstattung nicht zu rechtfertigen gewesen sei. "Die immensen Schäden, die durch die Berichterstattung verursacht wurden, werden hierdurch leider nicht ungeschehen gemacht.“ 

Trotz des Ausfalls von Spenden durch die Berichterstattung gibt das Team von Cats Karma nicht auf und will sich weiter um Straßenkatzen auf Mallorca kümmern. 

Zitiervorschlag

OLG Köln sieht unzulässige Berichterstattung: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56649 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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