Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Amtsträger, der bei der Bestätigung einer Unterschrift unter einem nichtigen Testament den Anschein erweckt, die Testamentserrichtung sei in Ordnung, pflichtwidrig handelt. Dies gilt auch dann, wenn er vorher darauf hingewiesen hat, dass er nicht befugt ist, ein Testament zu beurkunden.
Mit diesem Urteil vom 07. Dezember 2010 (Az. 12 U 102/10) gab das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe einer Frau größtenteils Recht, die gegen die Stadt Baden-Baden Amtshaftungsansprüche in Höhe von ca. 102.000 Euro geltend machte.
Hintergrund war, dass einer ihrer Mieter im Jahr 2006 zu Gunsten der Frau und ihres inzwischen verstorbenen Ehemanns ein Testament errichten wollte. Der Ehemann hatte deshalb im Sommer 2006 handschriftlich den Text des Testaments ohne Datumszusätze sowie Beglaubigungsvermerk aufgesetzt. In dem Testament wurden die Eheleute als alleinige Erben bestimmt. Gemeinsam mit dem Mieter hatte er sich dann in das Rathaus zum Ortsvorsteher begeben.
Nach einem Gespräch las der Ortsvorsteher den Text des vom Ehemann geschriebenen Testamentes vor, anschließend änderte der Mieter die Datumsangaben. Er unterzeichnete das Testament in Anwesenheit des Ortsvorstehers, der den Vermerk aufbrachte, dass die Unterschrift vor ihm vollzogen worden sei, das Schriftstück in einen Briefumschlag steckte, diesen verschloss und über den Klebefalz zweimal das Dienstsiegel aufbrachte.
Nach dem Tod des Mieters Anfang 2008 stellte das Nachlassgericht die Nichtigkeit des Testamentes fest, da dieses keine vom Erblasser eigenhändig geschriebene und eigenhändig unterschriebene Erklärung enthalte. Die Klägerin verlangte nun Schadenersatz von der Stadt, weil der Ortsvorsteher bei dem Erblasser und ihrem Ehemann eine falsche Vorstellung über die Rechtswirksamkeit des Testaments bewirkt habe.
Das Landgericht (LG) hat der Klage in Höhe von ca. 76.000 Euro stattgegeben. Die Berufung der beklagten Stadt zum OLG Karlsruhe blieb ohne Erfolg.
Der für Amtshaftungssachen zuständige 12. Zivilsenat hat ausgeführt, dass der Ortsvorsteher seine Amtspflichten verletzt habe. Er habe nicht nur die Echtheit der Unterschrift bestätigt, sondern weitere umfassende Tätigkeiten entwickelt und so durch missverständliches Verhalten bei dem Erblasser und dem Ehemann der Klägerin die falsche Vorstellung erweckt, das Testament sei rechtswirksam.
Insbesondere mit der Versiegelung des Umschlags habe das Verhalten des Ortsvorstehers einen dienstlichen Charakter angenommen. Das amtliche Verhalten war geeignet, bei den Anwesenden den Anschein hervorzurufen, dass in dieser Angelegenheit alles Notwendige geregelt, die Errichtung des privatschriftlichen Testaments nunmehr gültig vollzogen sei. Der Ortsvorsteher als Beamter hätte jedoch den Testierenden zumindest deutlich darauf hinweisen müssen, dass mit seiner Sachwaltung keine Gewähr für die Wirksamkeit des Testaments verbunden war, oder seine Tätigkeit ganz versagen müssen. Er hätte zwar nicht gewusst, dass das Testament nicht vom Erblasser, sondern vom Ehemann der Klägerin geschrieben worden war. Die Unterschiede in den Schriften seien ihm jedoch aufgefallen. Danach hätte er zumindest nachfragen müssen, wie das Testament im Übrigen entstanden sei. Das Handeln des Ortsvorstehers sei auch fahrlässig gewesen. Er hätte erkennen können, dass sein Verhalten missverständlich sein konnte.
Der Schaden besteht im Verlust des Erbrechts. Das LG hat jedoch ein Mitverschulden der Klägerin und ihres Ehemannes in Höhe von zusammen 25 Prozent angenommen: Es müsse auch einem Laien letztlich bekannt sein, dass ein Testament eigenhändig zu verfassen ist. Das hat die Klägerin nicht angegriffen. Ein höheres Mitverschulden kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Die Revision wurde nicht zugelassen.
OLG Karlsruhe: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2185 (abgerufen am: 14.12.2024 )
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