Erkennt ein Arzt eine Krebserkrankung durch einen groben Behandlungsfehler zu spät, kann für den späteren Tod des Patienten eines hohes Schmerzensgeld anfallen. Hautärzte aus Paderborn müssen einem Witwer deshalb nun 100.000 Euro zahlen.
Eine grob fahrlässig nicht erkannte Hautkrebserkrankung hat für mehrere Hautärzte aus Paderborn ein teures Nachspiel. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm gab im Oktober der Klage eines Witwers statt, der wegen des Todes seiner Ehefrau ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro verlangte. Die Entscheidung wurde am Dienstag bekannt (Urt. v. 27.10.2015, Az. 26 U 63/15).
Die verstorbene Frau hatte 2009 die Gemeinschaftspraxis der Ärzte in Paderborn wegen der Verfärbung eines Zehennagel nach einer Stoßverletzung besucht. Auf Anraten der Ärzte reichte die Frau eine Nagelprobe ein, die sodann histologisch untersucht wurde. Bis auf einen bakteriellen Infekt wies das Ergebnis aber keine Auffälligkeiten auf, sodass weitere Behandlungen oder Untersuchungen unterblieben.
Erst nachdem sich die Verfärbung auch im Folgejahr nicht zurückgebildet hatte, suchte die Patientin erneut einen Hautarzt auf, der schließlich eine Krebserkrankung diagnostizierte. Im Dezember 2013 verstarb die Frau. Es hatten sich inzwischen Metastasen in Lunge und Lymphknoten gebildet.
Ärzte hätten genauer diagnostizieren müssen
Die Klage des Ehemanns ist erfolgreich gewesen, weil einer der beklagten Ärzte, der die Verstorbene 2009 behandelt hatte, es versäumt habe, eine ausreichende histologische Untersuchung zum Ausschluss einer Krebserkrankung sicherzustellen, entschied das OLG. Obwohl die Patientin nur von einer Stoßverletzung berichtet hatte, sei eine umfassende Differenzialdiagnostik notwendig gewesen. Die tatsächlich durchgeführte histologische Untersuchung sei dagegen unzureichend gewesen, weil die Nagelprobe nicht aus dem Bereich der möglichen Krebseerkrankung stammte. Man habe es stattdessen der ahnungslosen Patientin überlassen, welcher Teil des Nagels untersucht werde, erläuterte das OLG.
Die Richter sahen in dem Verhalten der beklagten Ärzte "jedenfalls in der Gesamtheit" einen groben Behandlungsfehler. Dieser führe zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der zurechenbaren Folgen. Es war somit Sache der beklagten Ärzte, zu beweisen, dass der Tod der Patientin nicht aufgrund ihrer fehlerhaften Behandlung eingetreten war. Das Gericht ging in Anlehnung an ein eingeholtes Sachverständigengutachten davon aus, dass eine Amputation des Zehengrundgliedes eine hypothetische Chance auf eine vollständige Heilung der Frau eröffnet hätte.
una/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu nicht erkanntem Hautkrebs: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17641 (abgerufen am: 04.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag