OLG Hamm zu Schutzpflichten gegenüber Patienten: Kran­ken­haus haftet für Sturz einer Demenz­kranken

19.04.2017

Eine demente Patientin stürzte bei einem Fluchtversuch aus dem Fenster eines Krankenhauses und verletzte sich schwer. Weil das Personal seine Sicherungspflichten verletzte, muss die Trägerin nun zahlen, entschied das OLG Hamm.

Weil das Personal nicht ausreichend auf die Sicherung einer Patientin geachtet habe, muss die Trägerin der Klinik nun die Behandlungskosten des daraufhin erfolgten Sturzes ersetzen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem nun bekanntgewordenen Urteil (v. 17.01.2017, Az. 26 U 30/16).

Unruhig, aggressiv, verwirrt und desorientiert zeigte sich die Frau am Tag ihrer Einlieferung in das Krankenhaus. Grund war ein Schwächeanfall, doch die 1929 geborene Frau war zudem dement und zeigte Weglauftendenzen. Sie versuchte, die Station zu verlassen, und auch die verabreichten Neuroleptika konnten sie nicht beruhigen. Um die Frau endgültig am Weglaufen zu hindern, schob das Klinikpersonal kurzerhand ein Krankenbett von außen vor ihre Zimmertür.

Dabei hatte man aber offensichtlich nicht bedacht, dass sich das Zimmerfenster öffnen ließ. Die Patientin stieg aus selbigem und stürzte anschließend fünf Meter in die Tiefe auf ein Vordach, wobei sie sich schwere Verletzungen zuzog. Die Frau war nach dem Sturz in eine andere Klinik verlegt worden, wo ihre Verletzungen, unter anderem Brüche an Rippen, Lendenwirbel, Oberschenkel und Becken, operativ versorgt wurden. Von dort aus kam sie in ein Pflegeheim, wo sie im März 2011 verstarb.

Die Krankenversicherung der Frau forderte nun von der Trägerin des Krankenhauses Ersatz der entstandenen Behandlungskosten sowie eines gezahlten Krankenhaustagegelds in Höhe von zusammen rund 93.000 Euro.

Verhalten der Patientin unberechenbar

Als Grund führte die klagende Versicherung an, das Klinikpersonal habe angesichts des Zustandes der Patientin keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen zu ihrem Schutz getroffen. Während sie damit vor dem Landgericht (LG) Arnsberg keinen Erfolg hatte, folgte das OLG der Argumentation und änderte das erstinstanzliche Urteil ab.

Das Krankenhaus sei vielmehr verpflichtet gewesen, die Patientin im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Gefahren und Schäden zu schützen, soweit ihr Zustand dies erfordert habe. Dem sei die Beklagte nicht gerecht geworden, führte der 26. Zivilsenat aus. Das Verhalten der Patientin sei ausweislich der Dokumentation am Unfalltag unberechenbar gewesen. So habe sie auch bereits vorher an diesem Tag versucht, aus ihrem Zimmer zu fliehen.

Wie in Fällen, in denen es auf einen pathologischen Zustand ankommt, üblich wurde auch hier vom Gericht ein medizinischer Sachverständiger hinzugezogen. Dieser bestätigte, dass eine Person mit diesem Krankheitsbild zu praktisch allem fähig und ihr Verhalten unberechenbar sei.

Fluchtversuch durch Fenster war zu erwarten

Bei dieser Ausgangslage habe das Personal auch einen Fluchtversuch durch das Fenster in Betracht ziehen müssen, befand der Senat. Das Fenster sei nicht verschließbar und über einen Stuhl oder Tisch für die Patientin erreichbar gewesen.

Um einen Sturz zu verhindern, wäre es möglich und zumutbar gewesen, die Frau entweder am Öffnen des Fensters zu hindern oder sie in ein ebenerdiges Zimmer zu verlegen, fanden die Richter. Dass dies nicht geschehen sei, stelle ein pflichtwidriges Unterlassen dar.

Aus diesem Grund srachen die Hammer Richter der Versicherung den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Hamm zu Schutzpflichten gegenüber Patienten: Krankenhaus haftet für Sturz einer Demenzkranken . In: Legal Tribune Online, 19.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22680/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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