Seit gut 16 Jahren belästigt eine Frau im Sauerland einen Pfarrer. Dass sie entgegen einer ihr gegenüber ergangenen Gewaltschutzanordnung handelte, hat für sie dennoch keine Konsequenzen - sie handelte im Liebeswahn, so das OLG Hamm.
Zuwiderhandlungen gegen eine Gewaltschutzanordnung können zivilrechtlich nicht mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft geahndet werden, wenn der Täter schuld- und zurechnungsunfähig ist. Dies geht aus einem am Montag veröffentlichen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hervor (v. 03.03.2017, Az. 7 WF 130/16).
Hintergrund der Entscheidung ist ein Verfahren gegen eine heute 74-jährige Frau aus dem Sauerland. Seit circa 2001 belästigt sie den örtlichen Pfarrer: Von Anrufen über Briefe bis hin zum Anschreien in der Öffentlichkeit versuchte und versucht die alte Dame auf vielen verschiedenen Wegen Kontakt zu dem Geistlichen aufzunehmen. Nicht selten forderte sie ihn dabei zu sexuellen Handlungen auf.
Von dem aufdringlichen Verhalten konnte sie auch eine Gewaltschutzanordnung des Amtsgerichts (AG) Meschede aus dem Jahre 2011 nicht abhalten. Nach der Anordnung darf die Frau keine Verbindung zu dem Pfarrer aufnehmen und sich ihm oder dem Pfarrhaus nicht näher als 50 m nähern. Das AG drohte der damals 68-Jährigen für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten an. Dennoch rief die Dame den Geistlichen an und suchte seinen Kontakt. Unter anderem betrat sie auch häufiger das Gelände des Pfarrhauses, teilweise mit nacktem Oberkörper und tanzend.
OLG: im Liebeswahn und schuldunfähig
Gegen die Frau waren in der Vergangenheit häufiger Ordnungsmittel festgesetzt worden. In dem Verfahren, in dem jetzt das OLG entschied, ging es um den Antrag des Geistlichen, gegen die Frau zivilrechtliche Ordnungsmittel festzusetzen. Sie hatte ihm mehrmals besonders hartnäckig nachgestellt, in einem Fall tateinheitlich mit Hausfriedensbruch.
Das OLG wies den Antrag des Pfarrers ab. Die Frau sei schuld- und zurechnungsunfähig, wie aus einem Sachverständigengutachten hervorgehe. Sofern andere Gutachten zu einem abweichenden Ergebnis gekommen seien, schließe das die Schuldunfähigkeit der Frau nicht aus. In diversen Verfahren waren verschiedene Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Aus dem Gutachten, dem das OLG jetzt folgte, gehe hervor, dass eine Verhaltensänderung im Alter von etwa 60 Jahren, wie sie bei der Antragsgegnerin aufgetreten sei, generell einen Verdacht auf eine hirnorganische Ursache begründe, so die Hammer Richter. Seit etwa 2002 habe die Frau zudem eine wahnhafte Störung in Form eines Liebeswahns entwickelt. Die Unerschütterlichkeit, mit der sie die aus ihrer Sicht zum Antragsteller bestehende "Beziehung" pflege, zeige den wahnhaften Charakter ihres Erlebens.
Senat bedauert Situation des Pfarrers außerordentlich
Ausschließlich aufgrund der Schuldunfähigkeit habe das Verfahren keinen Erfolg. Die Situation des Pfarrers bedauere der Senat außerordentlich. Es stehe außer Frage, dass die langjährigen und vielfachen Zuwiderhandlungen der Frau die Lebensqualität des Geistlichen massiv beeinträchtigen und ohne weiteres geeignet sind, seine Gesundheit gravierend zu schädigen. Diese Umstände könnten aber kein Anlass sein, sich über die fehlende Schuldfähigkeit der Frau hinwegzusetzen, so die Richter.
Der Pfarrer selbst äußerte sich während des Verfahrens vor dem Landgericht Arnsberg im Jahr 2015 gegenüber Spiegel Online zu seiner Situation. Er wisse nie, wann sie zuschlage. Auf dem Weg zur Kirche oder zum Friedhof werde er immer wieder mit eindeutigen sexuellen Angeboten überrascht. Er sagte dazu: "Im Laufe der Jahre entwickelt man Überlebensstrategien."
nas/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu Ordnungshaft bei Schuldunfähigkeit: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22428 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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