Dass bei mehreren Patienten gleichzeitig eine Infektion mit dem gleichen Bakterium auftritt, weist noch nicht auf Hygienemängel im Krankenhaus hin, so das OLG Hamm in einer am Freitag bekannt gegebenen Entscheidung. Zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhauses komme es erst ab etwa zehn Fällen.
Ein Patient, bei dem während eines Krankenhausaufenthaltes eine Infektion mit methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) auftritt, muss einen schadensursächlichen Hygienemangel auch dann beweisen, wenn während seines Krankenhausaufenthalts vier weitere Patienten MRSA-Infektionen erleiden. Die Zahl reiche nicht aus, um eine Beweislastumkehr zu Lasten des Krankenhauses zu rechtfertigen, so das Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden (Urt. v. 14.04.15, Az. 26 U 125/13).
Die Klägerin litt an einem Darmtumor, der auf der allgemeinchirurgischen Abteilung des beklagten Krankenhauses operativ behandelt wurde. Im Bereich der Einstichstelle eines während der Operation gesetzten Katheters erlitt sie einen Abszess, der sich entzündete. Der Abszess musste daraufhin in der neurochirurgischen Abteilung einer Dortmunder Klinik, in die die Klägerin verlegt wurde, operativ behandelt werden. Dabei ergab sich ein MRSA-Befund.
Vom beklagten Krankenhaus hat sie 30.000 Euro Schmerzensgeld verlangt, unter anderem mit der Begründung, der Katheter und die Einstichstelle seien nicht hygienisch einwandfrei gepflegt und versorgt worden. Während ihres Aufenthaltes im beklagten Krankenhaus sei es zu mindestens vier weiteren MRSA-Infektionen gekommen.
Hygienedefizit erst bei ca. zehn Fällen
Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Nach dem Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens konnte das OLG keine von dem beklagten Krankenhaus zu verantwortenden Behandlungsfehler feststellen. Zur dortigen Hygiene habe die Klägerin keinen Mangel nachgewiesen. Insoweit komme auch keine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt des vom Krankenhaus voll beherrschbaren Geschehens in Betracht. Nach den Angaben des Sachverständigen gebe es in Deutschland keinen medizinischen Standard, der jegliche Art von Infektionen ausschließe.
Ein solcher Standard sei allenfalls theoretisch vorstellbar, im Klinikalltag aber praktisch nicht zu erreichen. Im Übrigen könne auch ein Patient selbst Träger von MRSA-Keimen sein, sodass der Ausbruch einer MRSA-Infektion nicht von vornherein auf einen Hygienemangel schließen lasse. Ein solcher folge auch nicht aus der Tatsache, dass während des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin vier weitere MRSA-Infektionen auftraten. Vermutet werden könne ein solcher erst dann, wenn bei etwa zehn Patienten auf der Station zur gleichen Zeit eine solche Infektion auftrete.
acr/LTO-Redaktion
OLG Hamm zur Beweislast für Hygienemängel: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15556 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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