OLG Hamm zu Änderung der Geschlechtszugehörigkeit: Gesch­lechts­än­de­rung erfor­dert zwei Gut­achten

13.04.2017

Nur selbst zu behaupten, dass man nunmehr Mann oder Frau sei, reicht für eine juristische Geschlechtsänderung nicht aus, sagt das OLG Hamm. Es braucht zwei Sachverständigengutachten.

Ist nicht gutachterlich objektiv geklärt, ob eine Person sich ihrer Identität wirklich sicher ist, so kann keine juristische Änderung des Geschlechtes erfolgen. Dies schreibt das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, kurz Transsexuellengesetz (TSG) genannt, vor. Zurecht, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem nun veröffentlichten Beschluss entschieden hat (Beschl. v. 22.02.2017 Az. 15 W 2/17).

Die antragstellende Person war in rechtlicher Hinsicht ein Mann und wollte rechtsverbindlich einen weiblichen Vornamen führen und auch als dem weiblichen Geschlecht zugehörig angesehen werden. § 4 Abs. 3 TSG schreibt vor, dass vom zuständigen Amtsgericht zwei unabhängige Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, bevor einem solchen Antrag stattgegeben werden kann.

Einer Begutachtung wollte sich der Antragsteller aber nicht unterziehen. Die Vorschrift aus dem TSG sei verfassungswidrig und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar, so seine Argumentation. Mit seinem Antrag blieb er vor dem Amtsgericht (AG) Dortmund erfolglos.

Selbsteinschätzung reicht nicht aus

Der 15. Zivilsenat des OLG Hamm zeigte sich von dem Vorbringen des Antragstellers ebenfalls nicht überzeugt und lehnte sein Begehren gleichermaßen ab. Die Anforderungen des TSG bezüglich der Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit seien eindeutig und nicht zu beanstanden, so die Auffassung der Richter.

Die Gutachten seien auch nicht durch eine Selbsteinschätzung zu ersetzen. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben müssen diese dazu Stellung nehmen, ob sich das Zugehörigkeitsempfinden der antragstellenden Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird und ob die Person seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren transsexuellen Vorstellungen entsprechend zu leben.

Dieses Erfordernis stehe auch nicht in Konflikt mit Verfassung oder EMRK, erklärte der Senat und folgte insoweit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (Az. 1 BvR 3295/07). Darin hatten die Richter festgestellt, es sei ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen. Ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit sei möglichst zu vermeiden und nur bei Vorliegen tragfähiger Gründe zuzulassen.

Preisgabe von intimen Gedanken erforderlich

Die Begutachtung durch zwei Sachverständige sei vor diesem Hintergrund nicht unzumutbar, so das OLG. Die dadurch unweigerlich entstehenden Belastungen in Form der Notwendigkeit, intimste Erlebnisse, Gedanken, Grundüberzeugungen offenzulegen, verletzten keine Grundrechte.

Gerade angesichts der "Bedeutung des Verfahrens für das weitere Leben der antragstellenden Person" sei das Erfordernis der Preisgabe der inneren Verfasstheit der betroffenen Person nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber könne insoweit auch die fachkundige Beurteilung durch Sachverständige verlangen, die im Übrigen in gleicher Weise zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet seien wie die erkennenden Richter.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Hamm zu Änderung der Geschlechtszugehörigkeit: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22653 (abgerufen am: 06.12.2024 )

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