Wegen grober Behandlungsfehler erhält ein Kind mit schwersten Behinderungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro. Die Klinik war für die Frau mit einer Hochrisikoschwangerschaft nicht ausgestattet, so das OLG Frankfurt.
Wegen fehlerhafter Begleitung einer Hochrisikoschwangerschaft hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt einem Kind mit schwersten Behinderungen 720.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen (Urt. v. 18.02.2025, Az. 8 U 8/21). Wie das OLG mitteilte, war die mit eineiigen Zwillingen schwangere Mutter wochenlang in einer Geburtsklinik ohne Frühchen-Intensivstation behandelt worden.
Die Mutter war mit 37 Jahren erstmals schwanger, wobei es sich um eine hochriskante eineiige Zwillingsschwangerschaft gehandelt hatte. Sie hätte deshalb ausschließlich in einer Klinik behandelt werden dürfen, die auch über eine neonatologische Intensivstation verfügt. Dass sie trotzdem andauernd in einer Geburtsklinik ohne Möglichkeit der jederzeitigen notfallmäßigen intensiven medizinischen Versorgung von Neugeborenen behandelt wurde, war laut OLG “grob fehlerhaft”.
Die Frau war über Wochen von dem beklagten Arzt in der mitverklagten Geburtsklinik stationär behandelt worden. Eines Tages hatte sich das typische Risiko der Schwangerschaft realisiert und einer der beiden Feten war im Mutterleib verstorben. Das andere Kind – der spätere Kläger – wurde dann mit Notkaiserschnitt zur Welt geholt, erlitt aber schwerste Gesundheitsschäden.
Beweisaufnahme bestätigt mehrere grobe Behandlungsfehler
Auf Grundlage eines gynäkologischen Sachverständigen hatte schon das Landgericht Frankfurt die Beklagten zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro verurteilt, §§ 280, 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung blieb vor dem OLG erfolgslos. Der heutige äußerst schlechte Gesundheitszustand des Klägers sei durch mehrere grobe Behandlungsfehler verursacht worden, das habe auch eine weitere Beweisaufnahme bestätigt.
Der für Arzthaftungsrecht zuständige 8. Zivilsenat stellte fest, dass das medizinische Gesamtkonzept der Geburtsklinik offensichtlich fehlerhaft gewesen sei. Die Mutter habe ausschließlich in einer Klinik mit neonatologischer Intensivstation behandelt werden dürfen. Bei einer Hochrisikoschwangerschaft wie ihrer könne es jederzeit zu einer Frühgeburt oder schweren Komplikationen kommen, was die sofortige Entbindung und Notfallbehandlung des oder der Neugeborenen erforderlich machen könne. Der Senat betonte: "Die Behandlung von Frühchen ist extrem heikel. Durch jedwede auch nur kurzfristige Fehlversorgung drohen unmittelbar schwere Schäden".
Durch die Fehlbehandlung erlitt der Kläger schwere Hirnschäden mit gravierenden Folgen. Unter anderem leide er unter einer ausgeprägten Entwicklungsstörung, sei blind und habe eine starke Hörschwäche. Die erlittenen schwersten Gesundheitsschäden rechtfertigen laut OLG ein Schmerzensgeld in Höhe von 720.000 Euro.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagten könnten mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof beantragen.
mh/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt zum Arzthaftungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56677 (abgerufen am: 19.04.2025 )
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