OLG Frankfurt spricht Kundin 90.000 Euro zu: Sch­mer­zens­geld nach Unfall mit nicht ver­kehrs­si­cherem Miet­wagen

24.01.2022

Eine Mietwagenfirma überließ einer Kundin ein mangelhaftes Fahrzeug. Es kam zum Unfall, bei dem die Kundin letztlich sogar einen Arm verlor. Kann die Firma ihre Haftung per AGB ausschließen? Das OLG Frankfurt meint: Nein. 

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat eine Mietwagenfirma zur Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 90.000 Euro und einer monatlichen Schmerzensgeldrente in Höhe von 160 Euro verurteilt, nachdem eine Kundin bei einem Unfall mit einem nicht verkehrssicheren Fahrzeug schwerste Verletzungen erlitten hatte (Urt. v. 30.12.2021, Az. 2 U 28/21).

Die Frau hatte im Herbst 2010 bei der beklagten Autovermietung ein Fahrzeug für den Weg von Frankfurt nach Berlin und zurück gemietet. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug plötzlich ins Schleudern. Das Fahrzeug schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über die Fahrbahn. Beim Umkippen geriet der linke Arm der Klägerin durch das Seitenfenster und wurde abgetrennt. Sie erlitt schwerste Verletzungen, eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Nach den Feststellungen eines Sachverständigen war ein Lager im Kardangelenk der unteren Lenksäule bereits bei Fertigung des vermieteten Fahrzeugs nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an "prinzipiell nicht verkehrssicher" gewesen. 

Die Autovermietung lehnte eine Haftung unter Berufung auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingen (AGB) ab. Nach den AGB haftet sie für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.

Fahrzeug muss verkehrssicher sein

Das Landgericht hatte die Klage der Frau auf Schmerzensgeld noch abgewiesen. Vor dem OLG hatte ihre Berufung nun aber überwiegend Erfolg. Die Autovermietung hafte für diesen von ihr nicht verschuldeten Mangel, so das OLG. Kraft Gesetzes (§ 536 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch AGB ausgeschlossen werden. Dies gilt laut OLG aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sogenannten Kardinalpflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe.

Zu diesen Kardinalpflichten gehöre es eben, so das OLG weiter, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig sind. Automieterinnen und -mieter würden sonst unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten der Mietwagenfirma umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nämlich nicht durch einen Haftungsausschluss ausgehöhlt werden.

Das OLG sprach der Klägerin deshalb 90.000 Euro Schmerzensgeld und eine monatliche Rente in Höhe von 160 Euro zu. Gegen die Entscheidung kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde noch die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof beantragt werden.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt spricht Kundin 90.000 Euro zu: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47302 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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