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Urteil gegen Solingen-Attentäter am Mittwoch erwartet: Ver­tei­diger: Unklar, was ihn dazu gebracht hat

09.09.2025

Angeklagter mit gesenktem Kopf im OLG Düsseldorf

Der Angeklagte gesteht seine Tat und erwartet bereits eine lebenslange Haftstrafe. Foto: picture alliance / epd-bild | Guido Schiefer.

Im Prozess um den islamistischen Terroranschlag von Solingen stellen sich die Verteidiger einer lebenslangen Haftstrafe nicht entgegen. Nur die Sicherungsverwahrung geht ihnen zu weit. 

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Im Prozess um den Terroranschlag von Solingen haben sich die Verteidiger lediglich gegen das Verhängen der Sicherungsverwahrung ausgesprochen, gegen eine lebenslange Haftstrafe wenden sie nichts ein. Ansonsten gebe es der rechtlichen Würdigung der Bundesanwaltschaft nichts hinzuzufügen, sagte Rechtsanwalt Daniel Sprafke. Sein Mandant Issa al Hasan habe Grenzen überschritten, Grenzen des Erträglichen, sagte der Verteidiger. “Eine Minute veränderte alles.”

Die Bundesanwaltschaft und sämtliche Nebenklägeranwälte hatten die Höchststrafe für den islamistischen Messer-Attentäter beantragt: lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. Das Urteil soll an diesem Mittwoch verkündet werden. 

Bundesanwaltschaft: Hoffnung auf Versöhnung enttäuscht

Eine zufriedenstellende Erklärung des Anschlags und seiner Hintergründe sei nicht gelungen. "Es ist unklar geblieben, was ihn dazu gebracht hat, dem Bösen zu huldigen." Bereits seit Ende 2019, also noch bevor er nach Deutschland kam, habe er sich unter dem Einfluss von islamistischen Inhalten radikalisiert, bilanzierte die Bundesanwaltschaft. "Die Hoffnung der Überlebenden und Angehörigen, Versöhnung, ja Heilung zu finden, wurde enttäuscht", sagte der Verteidiger. Er bewundere sie: "Bei ihnen war kein Fünkchen Hass spürbar, keine Belastungstendenz."

Nebenklage-Vertreter Simon Rampp sagte, der Angeklagte habe 13 friedlich feiernde Besucher des “Festivals der Vielfalt” im Dunkeln und von hinten mit einem Messer angegriffen. "Mehr Heimtücke geht nicht." Die Version des Angeklagten, während der Tat unter einer Wahnvorstellung gelitten zu haben, sei eine plumpe Schutzbehauptung.

Bei der islamistischen Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest waren am 23. August 2024 drei Menschen getötet und acht schwer verletzt worden. Der Syrer hatte gezielt von hinten auf den Hals von Besuchern des Festes eingestochen. Er wurde einen Tag später gefasst.

Auf den Anschlag folgte bundesweit eine Debatte über die Flüchtlings- und Asylpolitik. In Nordrhein-Westfalen wurde in der Folge ein Sicherheitspaket mit Dutzenden Maßnahmen beschlossen. Auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschluss wurde einberufen, um die ausländer- und asylrechtlichen Hintergründe des Attentats zu beleuchten.

Der 27-Jährige muss sich seit Mai im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts wegen dreifachen Mordes, zehnfachen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verantworten. "Erst kurz vor Ende der Beweisaufnahme hat er sein wahres Gesicht gezeigt: das des Dschihadisten und Islamisten", sagt Antje Groenewald als Vertreterin der Bundesanwaltschaft über den Angeklagten. Er habe darauf gedrungen, dass der IS den Anschlag für sich reklamiert, wie es dann auch geschehen war. Zu Beginn des Prozesses hatte er die Tat an sich gestanden, die Verbindung zum IS jedoch noch geleugnet.

Volle Schuldfähigkeit trotz unterdurchschnittlicher Begabung

Sprafke sagte, auch er als Verteidiger stoße an seine Grenzen. Der angeklagte Syrer sei in einer gänzlich anderen Welt aufgewachsen und habe es nicht geschafft, sich in Deutschland anzupassen.

"Mit seiner unterdurchschnittlichen Begabung ist er chancenlos, selbst im syrischen Hinterland", sagte Sprafke laut Deutscher Presse-Agentur. Ein Psychiater hatte dem Angeklagten einen Intelligenzquotienten von 71 attestiert. Ein IQ von 69 oder niedriger gilt als geistige Behinderung. Nach Einschätzung des Psychiaters ist er dennoch voll schuldfähig. Am Schluss ergriff der geständige Attentäter selbst das Wort: "Dass ich radikal bin und Hass verspüre gegen Deutsche, trifft nicht zu", sagte er. Ansonsten schließe er sich den Ausführungen seines Anwalts an.

Issa al Hasan hatte bereits zu Prozessbeginn gestanden, den Messerangriff begangen zu haben. Der Anschlag von Solingen war der erste in Deutschland seit der Attacke auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016, zu dem sich der IS bekannt hatte.

dpa/mka/LTO-Redaktion

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Urteil gegen Solingen-Attentäter am Mittwoch erwartet: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58109 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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