Darf ein Rumäne in sein Heimatland ausgeliefert werden, wenn ihm dort eine menschenrechtswidrige Haft droht? Kommt drauf an, sagt der EuGH. Das OLG Bremen hat jetzt einen Haftbefehl aufgehoben.
Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) in Bremen hat am 6. Juni 2016 den Haftbefehl aufgehoben, mit dem die Auslieferungshaft gegen einen rumänischen Staatsangehörigen angeordnet worden war. Der Betroffene war in Rumänien wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die rumänischen Behörden haben die Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung beantragt.
Das OLG hatte zuvor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu der Frage angerufen, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein ausländischer Staatsbürger an einen anderen Staat ausgeliefert werden darf, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Haftbedingungen dort menschenrechtswidrig sind und gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstoßen.
Der EuGH hatte klargestellt, dass aufgrund eines Europäischen Haftbefehls grundsätzlich eine Auslieferungspflicht besteht, dessen Vollstreckung aber nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Verfolgten führen darf. In seinem Urteil stellt der Gerichtshof dar, welche Anhaltspunkte es in Rumänien für menschenunwürdige Haftbedingungen gibt.
2 m² pro Häftling in rumänischem Gefängnis
Danach hat das OLG nun ermittelt, ob es im konkreten Fall ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass der Betroffene bei der beabsichtigten Inhaftierung in Rumänien der Gefahr einer Verletzung der Menschenrechte ausgesetzt ist. Dementsprechend hat das Gericht die Generalstaatsanwaltschaft gebeten, zusätzliche Informationen aus Rumänien einzuholen. Die rumänischen Behörden teilten mit, dass gegenwärtig nicht dargelegt werden könne, in welcher Haftanstalt der Verfolgte inhaftiert werde. Es sei jedoch wahrscheinlich, dass dies wohnortnah in dem halboffenen Vollzug der Haftanstalt Codlea erfolgen werde. Diese Haftanstalt sei für 330 Gefangene ausgelegt, aber mit 659 Gefangenen belegt. Jedem Gefangenen stehe lediglich ein Freiraum von ca. 2 m² zur Verfügung.
Vor diesem Hintergrund hat die Generalstaatsanwaltschaft die Freilassung des Betroffenen angeordnet. Sie hat außerdem den beim OLG Bremen gestellten Antrag zurückgenommen, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären und beantragt, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben. Dem Antrag entsprechend hat der Strafsenat den Haftbefehl durch Beschluss nun aufgehoben. Bezüglich eines weiteren Betroffenen, der ungarischer Staatsangehöriger ist, dauern die Ermittlungen noch an.
acr/LTO-Redaktion
Nach EuGH-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19640 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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