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Österreich: Ver­fas­sungs­ge­richtshof macht Weg für Ster­be­hilfe frei

14.12.2020

Ein alter Mensch im Bett in Gesellschaft von Medizinpersonal

(c) Photographee.eu/stock.adobe.com

Durchbruch oder Dammbruch? Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat das Verbot der Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Die Reaktionen auf die Entscheidung sind sehr unterschiedlich.

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In Österreich wird die Sterbehilfe erlaubt. Das bisherige gesetzliche Verbot der Hilfeleistung zum Suizid in § 78 des Österreichischen Strafgesetzbuchs verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, urteilte der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) am Freitag in Wien (Urt. v. 11.12.2020, Az. G 139/2019). Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Die Tötung auf Verlangen sowie das Verleiten eines anderen zur Selbsttötung bleiben dagegen weiterhin strafbar.

Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasse "sowohl das Recht auf die Gestaltung des Lebens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben", erklärten das Gericht. Die Aufhebung des bisherigen Straftatbestandes tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.

Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) sprach von einem historischen Durchbruch. Österreich ziehe damit im internationalen Vergleich nach, wenn auch mit einiger Verspätung. Die katholische Kirche zeigte sich dagegen bestürzt. Das Sterbehilfe-Urteil sei ein Dammbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. "Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert", sagte Lackner weiter.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der regierenden ÖVP sagte: "Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass niemand den Wert seines Lebens infrage stellen muss. Daher müssen wir nun prüfen, welche gesetzlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind."

Auch das BVerfG öffnete die Tür für Sterbehilfe-Angebote

In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten ebenfalls die Tür für Sterbehilfe-Angebote aufgestoßen (BVerfG, Urt. v. 26.02.2020, Az. 2 BvR 2347/15; 2 BvR 651/16; 2 BvR 1261/16). Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen - das gelte für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke.

In Österreich hatten vier Antragsteller geklagt, darunter ein an Multipler Sklerose erkrankter Mann (56), der ans Bett gefesselt ist und nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Leben scheiden kann, sowie ein gesunder 75-Jähriger, der im Fall einer unheilbaren Erkrankung Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Zum Kreis der Kläger gehören auch ein 80-Jähriger, der an der Nervenkrankheit Parkinson leidet, und ein Arzt (66). Der Mediziner möchte Sterbehilfe leisten, fürchtet aber straf- und standesrechtliche Konsequenzen.

ast/dpa/LTO-Redaktion

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Österreich: Verfassungsgerichtshof macht Weg für Sterbehilfe frei . In: Legal Tribune Online, 14.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43728/ (abgerufen am: 30.03.2023 )

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