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OLG Frankfurt am Main: Wann Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen euro­pa­rechts­widrig sind

16.02.2021

EU-Fahnen vor dem EU-Parlament in Brüssel

(c) Grecaud Paul/stock.adobe.com

Auch zwischen EU-Staaten werden Investitionsschutzabkommen geschlossen. Darin werden regelmäßig Streitigkeiten an Schiedsgerichte verwiesen. Das ist aber europarechtswidrig, wenn durch die Entscheidung Unionsrecht betroffen sein kann.

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Die Zuweisung einer Investitionsstreitigkeit zwischen EU-Mitgliedstaaten an ein Schiedsgericht beeinträchtigt die Autonomie des Unionsrecht, wenn von der Entscheidung des Schiedsgerichts Unionsrecht betroffen sein kann. In diesen Fällen ist eine Schiedsvereinbarung unwirksam. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb mit am Montag veröffentlichtem Beschluss ein Schiedsverfahren, das auf Antrag einer österreichischen und einer kroatischen Bank gegen die Republik Kroatien eingeleitet worden war, für unzulässig erklärt (Beschl. v. 11.2.2021, Az. 26 SchH 2/20).

Eine kroatische und eine österreichische Bank, die in Kroatien Finanzdienstleistungen erbringen, fordern Schadensersatz vom kroatischen Staat. Sie berufen sich dabei auf eine Änderung des kroatischen Insolvenzrechts und einer aus Sicht der beiden Banken systematischen Verweigerung von Rechtsschutz durch die kroatischen Gerichte. Da zwischen Österreich und Kroatien ein Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen, ein sogenanntes Bilateral Investment Treaty (BIT), besteht, leiteten die beiden Banken ein Schiedsverfahren ein. Dieses sieht bei Streitigkeiten aus Investitionen ein Schiedsverfahren am Schiedsort Frankfurt am Main vor.

Dagegen beantragte Kroatien jedoch beim OLG, die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens festzustellen. Als Argument wurde angeführt, dass die Schiedsvereinbarung nicht mit Unionsrecht vereinbar sei.

Möglichkeit des Vorabentscheidungsverfahrens darf nicht eingeschränkt sein

Das OLG gab dem Antrag statt. Es bestätigte die Ansicht Kroatiens, dass ein Verstoß gegen Unionsrecht bestehe. Die Regelung des BIT, die die Einleitung eines Schiedsverfahrens in Frankfurt am Main vorsehe, verletze nämlich den Grundsatz des Unionsrechts, dass die "Autonomie der Rechtsordnung der Union und ihres der Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit der Auslegung des Unionsrechts dienenden Gerichtssystems" nicht durch internationale Abkommen zwischen EU-Staaten beeinträchtigt werden dürfe (EuGH „Achmea“ Urt. v. 6.3.2018, Az. C-284/16).

Eine Schlüsselfunktion dieses Gerichtssystems sei nun das Vorabentscheidungsverfahren aus Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Nationale Gerichte können beziehungsweise müssen danach Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung des Unionsrechts dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen. Würde eine Streitigkeit nun aber auf ein Schiedsgericht übertragen und diese Streitigkeit betreffe Unionsrecht, sei nicht gewährleistet, dass die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH gesichert sei.

Dies sei, so das Gericht, nun auch gerade im vorliegenden Streit der Fall. Bereits bei der Prüfung der Rechtsmäßigkeit einer Investition sei neben kroatischem und österreichischem Recht Unionsrecht entscheidend. Dem Schiedsgericht sei es jedoch verwehrt, eine in diesem Zusammenhang möglicherweise aufkommende Frage bezüglich der Auslegung Anwendung von Unionsrecht dem EuGH vorzulegen. Damit sei die Autonomie des Unionsrechts beeinträchtigt. Allein die Möglichkeit, dass das nationale Recht eine gerichtliche Überprüfung von Schiedssprüchen vorsehen kann, führe nicht zur Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit dem Unionsrecht.

Der Beschluss ist mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Rechtsbeschwerdegericht ist der Bundesgerichtshof.

ast/LTO-Redaktion

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OLG Frankfurt am Main: Wann Investitionsschutzabkommen europarechtswidrig sind . In: Legal Tribune Online, 16.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44278/ (abgerufen am: 23.09.2023 )

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