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Urteil im Juli?: Letztes Pläd­oyer im NSU-Pro­zess beendet

21.06.2018

Beate Zschäpe, Angeklagte, kommt im Oberlandesgericht München zum NSU-Prozess.

picture alliance/Tobias Hase/dpa

Seit mehr als fünf Jahren läuft der NSU-Prozess, allein die Plädoyers dauerten fast ein Jahr. Die aber sind nun zu Ende. Damit ist der Weg für ein Urteil frei - wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt.

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Nach mehr als 430 Verhandlungstagen steuert der NSU-Prozess auf das Urteil zu. Am Donnerstag beendete die Anwältin der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, Anja Sturm, das letzte Plädoyer in dem seit Mai 2013 laufenden Mammutverfahren. Nun muss sich das Oberlandesgericht (OLG) München noch mit letzten Beweisanträgen der Zschäpe-Verteidiger befassen und will auf deren Antrag am nächsten Dienstag noch einmal einen Sachverständigen hören. Danach haben die Angeklagten das letzte Wort.

Damit wäre Anfang Juli der Weg frei für ein Urteil gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe und vier mitangeklagte mutmaßliche Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" - sollte es nicht wieder zu neuen Verzögerungen kommen.

Die Plädoyer-Phase in dem Prozess um die Morde und Anschläge des NSU dauerte rund elf Monate: Ende Juli 2017 hatte die Bundesanwaltschaft mit ihrem Schlussvortrag begonnen und am Ende die Höchststrafe für Zschäpe gefordert: lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung wegen Mittäterschaft an allen Verbrechen des NSU. Anschließend folgten mehrere Dutzend Nebenkläger, dann die Verteidiger. Zschäpes Anwälte forderten einen Freispruch ihrer Mandantin von sämtlichen Morden und Anschlägen. Zu verurteilen sei die heute 43-Jährige aber wegen der Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios in Zwickau im November 2011.

Nur moralisch schuldig?

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit sollen die beiden Männer zehn Menschen ermordet haben, darunter neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die beiden brachten sich nach einem gescheiterten Banküberfall im November 2011 selbst um, Zschäpe konnte somit als einzige der drei vor Gericht gestellt werden.

Sturm betonte am Ende ihres Plädoyers: "Moralische Schuld und strafrechtliche Schuld sind manchmal schwer auseinanderzuhalten." Die Verteidiger setzten das Vertrauen in das Gericht, "diese Grenze sehr genau bestimmen und beachten zu können".

Die Rechtsanwältin forderte die Richter auch auf, keine Sicherungsverwahrung gegen Zschäpe zu verhängen. Dafür gebe es keine Grundlage. Auch der psychiatrische Sachverständige habe keine geliefert. Dessen Gutachten sei überdies teils unvollständig, teils unlogisch und tauge nicht, Zschäpes Persönlichkeit zu beurteilen. 

Zudem argumentierte Sturm, eine Verurteilung Zschäpes wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung würde europäischem Recht widersprechen. Terrorismus sei eine "Kommunikationsform" - das habe die EU in einem Rahmenbeschluss festgelegt. Für Terrorismus gelte demnach: "Tue Schlechtes und rede darüber", sagte Sturm. Damit nahm sie Bezug darauf, dass der NSU sich im Untergrund nie öffentlich zu den Taten bekannte. Sie empfahl dem OLG, diese Frage beim Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Die Taten von Mundlos und Böhnhardt nannte sie die "Begehung von Serienmorden".

dpa/acr/LTO-Redaktion

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Urteil im Juli?: Letztes Plädoyer im NSU-Prozess beendet . In: Legal Tribune Online, 21.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29303/ (abgerufen am: 25.09.2023 )

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