Das LKA hat einen Verdächtigen in der "NSU 2.0"-Drohschreibenserie festgenommen. Er steht unter dringendem Verdacht, die anonymen Schreiben unter anderem an eine Anwältin verfasst zu haben - aber es bleiben Fragen.
In der Nacht zum Dienstag haben Beamtinnen und Beamte des hessischen Landeskriminalamts eine Berliner Wohnung durchsucht und einen Tatverdächtigen festgenommen. Die Ermittler glauben, dass es sich um den Absender anonymer Drohschreiben mit dem Kürzel "NSU 2.0" handelt.
Bei dem Komplex "NSU 2.0" handelt es sich um Drohschreiben, die seit mehreren Jahren an Personen verschickt werden, die sich öffentlich im Kampf gegen Rechtsextremismus engagieren. Eines der Opfer ist die Rechtsanwältin und Strafverteidigerin Seda Başay-Yıldız, die wohl aufgrund ihres Auftretens als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren in das Visier der bislang unbekannten Täterinnen und Täter gelangt ist. Sie und auch ihre Familie erhalten regelmäßig Schreiben mit Todesdrohungen und Beleidigungen. Sie sind regelmäßig mit "NSU 2.0" unterschrieben. Einige Schreiben enthalten auch persönliche Daten der Familie, die aus einem Revier der hessischen Polizei stammen sollen.
Festgenommen am Rechner
Nach Informationen von LTO soll der 53-jährige Deutsche in seiner Berliner Wohnung festgenommen worden sein, und zwar an seinem Rechner. Ein Umstand, der bei Internetstraftaten für die Ermittlerinnen und Ermittler besonders wichtig ist. Denn die Daten liegen dann für die Strafverfolgung quasi offen auf dem Tisch. Von der Auswertung der Datenträger versprechen sich die Ermittler, den Verdacht noch weiter erhärten zu können. Für die Durchsuchung und die Festnahme hat das hessische LKA seine Beamtinnen und Beamten in die Hauptstadt geschickt. Jahrelang hatten die Strafverfolger verschiedene Spuren verfolgt. Die Staatsanwaltschaft sprach am Dienstag selbst von ""aufwändigen und zeitintensiven" Ermittlungen. Der oder die Täter hinter den Drohschreiben haben großen Wert darauf gelegt, ihre Spuren im Netz zu verwischen.
Gegen den festgenommenen Mann laufen unter anderem Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung. In der Vergangenheit sei er bereits auch wegen rechtsmotivierter Straftaten rechtskräftig verurteilt worden.
Mehrere Vorstrafen - letzte Verurteilung 2017
Nach Informationen von LTO wurde er 1992 wegen Amtsanmaßung verurteilt, er soll sich gegenüber Behörden selbst als Beamter ausgegeben haben. Es folgten weitere Verurteilungen wegen Beleidigung, Bedrohung und Störung des öffentlichen Friedens. Seine letzte Verurteilung stammt aus dem Jahr 2017. Vor allem die Verurteilung wegen der Amtsanmaßung dürfte ein besonderes Licht auf den Fall werfen.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft betonte am Dienstag, dass der Festgenommene zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer Polizeibehörde gewesen sei. Zur Frage, wie der über Jahre erwerbslose Verdächtige an Informationen aus Polizeidatenbanken gekommen sein soll, teilten Staatsanwaltschaft und LKA zunächst nichts weiter mit. Gut möglich aber, dass der Mann sich auch für die "NSU 2.0"-Schreibenserie gegenüber Behörden als Behördenmitarbeiter ausgegeben hat und so an persönliche Daten seiner Adressaten gekommen sein könnte. Oder er hatte Komplizen, die ihm Informationen zulieferten. Die Ermittlerinnen und Ermittler werten nun die sichergestellten Datenträger aus.
Die Hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann bezeichnet die Festnahme als einen "herausragenden Schritt bei der Aufklärung dieser Serie von feigen Taten".
Markus Sehl, Festnahme und Durchsuchung in Berlin: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44877 (abgerufen am: 06.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag