BGH zur Vereinbarkeit der Altersgrenze mit EU-Recht: Mit 70 Jahren ist für Notare Schluss

24.08.2023

Ein Anwaltsnotar will nicht in Rente gehen. Deshalb möchte er feststellen lassen, dass sein Amt nicht mit Vollendung des 70. Lebensjahres endet. Vor dem BGH scheiterte er nun: Die Altersgrenze ist mit EU-Recht vereinbar. 

Viele Berufstätige sehnen sich im höheren Alter nach der Rentenzeit, nicht so der klagende Anwaltsnotar. Er ist nicht damit einverstanden, dass gemäß § 47 Nr. 2, § 48a der Bundesnotarordnung (BNotO) das Amt des Notars mit dem Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt. Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) hat jedoch am Mittwoch entschieden, dass die Altersgrenze für Notare mit dem EU-Recht vereinbar ist (Urt. v. 21.08.2023, Az. NotZ(Brfg) 4/22).

Der klagende Notar wird im Laufe des Jahres 2023 das 70. Lebensjahr vollenden. Er machte vor Gericht geltend, die Altersgrenze verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, welches sich aus Art. 21 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) ergibt.

Dieses Verbot der Altersbenachteiligung folge außerdem aus Art. 1, Art. 2 Abs.  2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78), so der arbeitswillige Anwaltsnotar. Außerdem sei die Altersgrenze angesichts des erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.

Kein Nachwuchsmangel bei hauptberuflichen Notaren

Vor dem erstinstanzlich nach § 111 Abs. 1 BNotO zuständigen Oberlandesgericht hatte der Notar mit seiner Argumentation keinen Erfolg. Berufungsinstanz ist der BGH. Auch dieser hat nun die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Die Altersgrenze soll den Generationenwechsel erleichtern und den Berufsstand der Notare verjüngen, argumentierte das Gericht. Die Beschränkung ist dazu – nach den vom Senat getroffenen Feststellungen – nach wie vor erforderlich.

Aus einem Gutachten der Bundesnotarkammer werde ersichtlich, dass im hauptberuflichen Notariat bundesweit ein erheblicher Bewerberüberhang herrscht. Jedoch bestehe in den Oberlandesgerichtsbezirken, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf tätig sind (z.B. in Bremen und Frankfurt am Main), teilweise ein Bewerbermangel. Daraus hat der Senat für Notarsachen geschlossen, dass es für den Notarberuf keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen gibt. Der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat habe andere, strukturelle Gründe. Das Problem sei insbesondere die notarielle Fachprüfung, die neben der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt vorzubereiten ist, sowie die sich stetig weiter erhöhenden (auch technischen) Anforderungen an die Ausübung des Nebenberufs.

Lukrative Stellen auch für jüngere Notare

Die Altersgrenze sei aber auch im Anwaltsnotariat nach wie vor erforderlich, um ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zu erreichen. Diese Norm regelt Rechtfertigungsmöglichkeiten bei Ungleichbehandlung aufgrund des Alters. 

Blieben lebensältere Notare mit gut eingeführten Notarstellen und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten ohne Altersgrenze im Amt, hätten jüngere Rechtsanwälte keine planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate. Sie würden dann oftmals den erheblichen Aufwand für den Einstieg in den Nebenberuf nicht auf sich nehmen, so der BGH. 

Der Senat konnte daher nicht feststellen, dass der Gesetzgeber, der an der Altersgrenze festhält, den ihm dabei zukommenden Prognose- und Beurteilungsspielraum verletzt hat. Ein angemessener Interessenausgleich werde auch dadurch gewährleistet, dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den Ländern geltenden Pensionsaltersgrenzen liege. Außerdem könnten Anwaltsnotare nach dem Ausscheiden, den Beruf des Rechtsanwalts weiterhin auszuüben oder als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig sein.

Zum Hintergrund: In Deutschland gibt es sowohl Anwaltsnotarinnen und -notare als auch Nur-Notarinnen und -Notare, was auf die unterschiedlichen Notarverfassungen zurückgeht. Anwaltsnotarinnen und -notare üben neben dem Notarberuf noch den Anwaltsberuf aus. Nach Angaben der Bundesnotarkammer arbeiten 2023 genau 6.658 Notarinnen und Notare in Deutschland. Davon sind nur 1.706 hauptberuflich tätig. Notarinnen und Notare sind öffentliche Amtsträger, die vom jeweiligen Bundesland bestellt werden. Die Zahl der Notarstellen ist am örtlichen Bedarf ausgerichtet und daher zahlenmäßig beschränkt.

lfo/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zur Vereinbarkeit der Altersgrenze mit EU-Recht: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52553 (abgerufen am: 11.10.2024 )

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