Die neuen Befugnisse im sächsischen Polizeigesetz gehen nach Ansicht der beiden Oppositionsparteien Grüne und Linke zu weit. Nun sind die Verfassungsrichter in Leipzig gefragt.
Das umstrittene Polizeigesetz von Sachsen kommt beim Verfassungsgerichtshof in Leipzig auf den Prüfstand. Über ein entsprechendes Normenkontrollverfahren informierten am Mittwoch Vertreter der Linken und Grünen im Landtag. Beide Parteien wollen damit erreichen, dass zahlreiche Vorschriften aus dem Gesetz wieder gestrichen werden. Ihrer Ansicht nach stellen die im Gesetz verankerten erweiterten Befugnisse der Polizei schwere Grundrechtseingriffe dar.
Der Mainzer Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker, der den Antrag zur Normenkontrolle formulierte, sieht im sächsischen Polizeigesetz zwei Tendenzen, die einem bundesweiten Trend im Polizeirecht entsprechen. "Polizeiliche Befugnisse werden zur Kriminalitätsbekämpfung massiv ausgebaut. Die Polizei bekommt zahlreiche Instrumente, die sie vorher nicht hatte", sagte Bäcker, der eine Professur für Öffentliches Recht an der Universität Mainz innehat. Zudem werde es der Polizei ermöglicht, frühzeitiger und "in immer ambivalenteren Sachlagen tätig zu werden und teilweise schwere Grundrechtseingriffe durchzuführen".
Das heutige Polizeirecht habe nicht nur mögliche künftige Ereignisse wie Terroranschläge im Blick, sondern auch Personen, die in Zukunft Straftaten begehen könnten. Bei solchen Personen könne die Polizei nun gezielt Überwachungsmaßnahmen durchführen. Laut Bäcker hat der Bundesgerichtshof das zwar grundsätzlich abgesegnet. Doch Sachsen habe dem noch eine Wendung verpasst. Hier stünden Personen im Fokus, die "schwere Straftaten" begehen könnten. Dieser Begriff sei aber viel zu weit definiert und reiche bis zu Vergehen wie Beleidigung oder Sachbeschädigungen.
"Schwerster Angriff auf die Bürgerrechte"
Auch an Formulierungen zur Überwachung von Orten und Räumen und der Speicherung von Daten durch die Polizei übte Bäcker Kritik. Wenn man der Polizei erlaube, alle irgendwann gewonnenen Daten abzuspeichern, lande man früher oder später bei einer "Katalogisierung" der Bevölkerung, weil "fast jeder von uns mal irgendwann mal irgendwie mit der Polizei zu tun hatte", sagte der Professor.
Nach den Worten von Linke-Politiker Enrico Stange geht es den Antragstellern nicht darum, die Polizei eines sinnvollen Instrumentariums zu berauben: "Allerdings muss das rechtlich abgesichert sein." Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann sah im sächsischen Polizeigesetz einen der "schwersten Angriffe auf die Bürgerrechte" in Sachsen seit Wiedergründung des Freistaates 1990. Für die Grünen als Bürgerrechtspartei sei es eine Selbstverständlichkeit, das Gesetz überprüfen zu lassen.
Das Gesetz war Anfang April nach kontroverser Debatte beschlossen worden. Nicht nur Grüne und Linke hatten Vorbehalte geäußert. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Lippmann geht nach den Erfahrungen mit bisherigen Normenkontrollverfahren davon aus, dass bis zur Entscheidung bis zu eineinhalb Jahre vergehen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Normenkontrollverfahren: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36929 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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