Heute beim Ladendiebstahl ertappt, morgen schon verurteilt – das beschleunigte Verfahren macht's. Niedersachsen hat die Justiz dafür besonders ausgerüstet, es wird immer häufiger genutzt. Jetzt sind auch andere Bundesländer interessiert.
Die Zahl der beschleunigten Verfahren für Kleinkriminelle ist an den Amtsgerichten in Niedersachsen in den vergangenen zwei Jahren deutlich angestiegen. Während es 2017 noch 748 dieser möglichst kurz nach der Tat anberaumten Prozesse gab, waren es im vergangenen Jahr bereits 1.675, wie das Justizministerium in Hannover mitteilte.
Die Verfahren werden bei leichterer Kriminalität wie einfachen Ladendiebstählen, kleinen Drogengeschäften oder Schwarzfahrten angewendet, damit die Strafe für die Betroffenen als Abschreckung möglichst auf dem Fuße folgt. Auch Tätern ohne festen Wohnsitz in Deutschland, die für die Justiz später kaum zu greifen sind, will man so beikommen.
"Der Abschreckungseffekt spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle", sagte Justizministerin Barbara Havliza (CDU). "Eine zügige Sanktionierung hat auch auf die Täterin oder den Täter eine ganz andere Wirkung, als wenn sie teilweise über Monate hinweg ohne Strafe bleiben." Schnelle gerichtliche Entscheidungen bedeuteten neben Entlastungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten auch eine psychische Entlastung für Opfer und Zeugen.
Kurzfristig und mit mündlicher Anklage
Beschleunigte Verfahren gibt es in Niedersachsen schon seit den neunziger Jahren. Sie ermöglichen es Amtsgerichten, bei einfach gelagerten Sachverhalten und klarer Beweislage ohne Fristen und einer schriftlichen Ladung des Angeklagten einen Prozess sehr kurzfristig abzuhalten. Die Staatsanwaltschaft kann sogar mündlich anklagen. Voraussetzung dafür ist eine enge Zusammenarbeit von Polizei und Justiz sowie eine geeignete personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften. Auch außerhalb üblicher Bürozeiten etwa müssen Staatsanwälte dazu erreichbar sein.
Mit zusätzlichen Stellen an den Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften in Hannover, Osnabrück, Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg hat das Justizministerium in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für beschleunigte Verfahren gefördert. Dabei arbeiten die Strafverfolger auch mit der Ausländerbehörde zusammen. In manchen Fällen wird der Betroffene anschließend auch direkt in Abschiebehaft genommen. Grundsätzlich können beschleunigte Verfahren an allen Amtsgerichten durchgeführt werden. Besonders bewährt hat es sich allerdings in Großstädten.
Die beschleunigten Verfahren in Niedersachsen sind inzwischen Vorbild auch für andere Bundesländer. Anfang Februar informierten sich Justizstaatssekretäre aus sechs Bundesländern beim Amtsgericht Hannover über die Abläufe. Insbesondere Baden-Württemberg zeigte sich interessiert. Wie das Justizministerium mitteilte, sei derzeit eine Richterin aus Stuttgart nach Hannover abgeordnet. Baden-Württemberg unternimmt Modellversuche in Stuttgart, Mannheim und Freiburg im Breisgau.
dpa/ast/LTO-Redaktion
Beschleunigte Verfahren in Niedersachsen: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40315 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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