Gerichtsprozess in Russland: Nawalny zu neun Jahren Straflager ver­ur­teilt

22.03.2022

Seit mehr als einem Jahr sitzt Russlands Oppositionsführer Nawalny in Haft. Nun hat die russische Justiz eine weitere lange Strafe gegen den Gegner von Kremlchef Putin verhängt.

In einem weiteren umstrittenen Prozess gegen den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny hat ein russisches Gericht den 45-Jährigen zu neun Jahren Straflager verurteilt. Zudem soll der Oppositionelle, der als bekanntester Gegner von Präsident Wladimir Putin in Russland gilt, 1,2 Millionen Rubel Strafe (umgerechnet 8.200 Euro) zahlen. In die Haftstrafe würden alle bisherigen Strafen gegen den 45-Jährigen mit eingerechnet, wie Nawalnys Anwältin Olga Michajlowa im Anschluss mitteilte. Nawalny könnte demnach bis 2030 in Haft bleiben. Seine Anwältin kündigte bereits Rechtsmittel an.

In dem als politische Inszenierung kritisierten Verfahren sprach die Richterin den zweifachen Vater Nawalny wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen in Russland verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin in einem früheren Verfahren schuldig. Der Angeklagte habe sich auf dem "Weg der Täuschung und des Missbrauchs von Vertrauen das Vermögen von Fremden" erschlichen, erklärte Richterin Margarita Kotowa.

Das Team des Kremlgegners sieht das Vorgehen der russischen Justiz als weiteren Versuch an, Nawalny mundtot zu machen. Es handele sich um ein von Putin und der Präsidialverwaltung in Moskau gesteuertes Verfahren, sagte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch. "Erst hat er (Putin, Anm. der dpa) versucht, Alexej zu töten, und als das scheiterte, hat er entschieden, ihn für immer im Gefängnis zu halten."

Nawalny überlebte zuvor Mordanschlag

Der Kremlgegner hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Präsident Putin wies eine Beteiligung zurück.

Nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn die damalige Kanzlerin Angela Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, wurde Nawalny am 17. Januar 2021 am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren verstoßen haben soll. 

Die russische Justiz hatte ihm vorgeworfen, während seiner Genesung in Deutschland in der Heimat gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben. Ein Gericht wandelte daraufhin eine Bewährungsstrafe aus einem früheren Verfahren wegen angeblichen Betrugs in Straflager-Haft um. Die mehrjährige Haftstrafe verbüßt er in einem Straflager in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau.

Nawalnys Sprecherin Jarmysch befürchtet, dass er nun als "Wiederholungstäter" eingestuft und in ein Lager mit härteren Haftbedingungen deutlich weiter weg von Moskau gebracht werden könnte. "Es wird dann praktisch unmöglich sein, Zugang und Kontakt zu ihm zu haben", sagte Jarmysch.

Nawalnys Anwälte kurzzeitig in Polizeigewahrsam

Bisher gelingt es dem Politiker immer wieder, über seine Anwälte Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurden zuletzt auch Nawalnys Aufrufe zu Protesten gegen Putins Krieg gegen die Ukraine in sozialen Netzwerken verbreitet.

Nach der Verurteilung von Alexej Nawalny sind dessen Anwälte jedoch kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen worden. Olga Michajlowa und Wadim Kobsew seien in der Nähe des Straflagers in einen Polizeibus
gesteckt und weggebracht worden, schrieb Nawalnys Team am Dienstag bei Twitter.

Die kremlkritische Zeitung Nowaja Gaseta veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie Michajlowa von zwei Polizisten abgeführt wird - begleitet von Kameras. Der Agentur Interfax zufolge hatte zuvor ein Beamter dazu aufgerufen, sie wegen "Störung der Arbeit der Justizvollzugsanstalt" vom Gelände zu bringen. Die beiden Anwälte kamen der Interfax zufolge wenig später wieder auf freien Fuß.

dpa/sl/LTO-Redaktion
 

Zitiervorschlag

Gerichtsprozess in Russland: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47909 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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