In NRW liegt die Gefangenenvergütung derzeit bei weniger als zwei Euro pro Stunde. Dies soll sich dank eines neuen Gesetzes ändern. Mehr freie Tage bekommen die Gefangenen auch.
Ob in Bibliotheken, Werkstätten oder Kaffeeröstereien: Häftlinge in Deutschland müssen laut Gesetz in den jeweiligen Gefängnissen grundsätzlich einer Arbeit nachgehen. Nach Angaben des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen (NRW) lag die Beschäftigungsquote im Jahr 2023 bei einer Durchschnittsbelegung von etwa 14.000 Gefangenen bei 61 Prozent. Dabei liegt der Verdienst der Gefangenen in NRW bei unter zwei Euro pro Stunde. Geld, das gerade einmal für Artikel aus dem Gefängnisshop reicht. Damit soll bald Schluss sein.
Der Landtag hat einstimmig ein Gesetz beschlossen, mit dem Gefangene, die im Strafvollzug einer Arbeit nachgehen, künftig mehr verdienen sollen. Nach dem neuen Gesetz sollen die Gefangenen bald einen Tagessatz von 25,12 Euro in der mittleren Vergütungsstufe 3 – und damit rund zehn Euro mehr als bisher – erhalten. Zum Vergleich: Bei 20 Arbeitstagen im Monat kommt ein Gefangener also auf einen durchschnittlichen Monatslohn von rund 502 Euro statt wie bisher auf rund 301 Euro.
Der Landtag beschloss zudem eine Erhöhung der freien Tage der Häftlinge. Bislang mussten diese mit acht freien Tagen im Jahr auskommen. Künftig sollen es maximal zwölf Tage pro Jahr werden. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass die Gefangenen – die die Kosten ihres Strafverfahrens begleichen müssen –, einen teilweisen Erlass der ihnen auferlegten Kosten durch Arbeit erreichen können.
Wie das Justizministerium NRW mitteilte, sollen die Gefangenen zudem eine Ausfallentschädigung erhalten, wenn sie an "bestimmten Behandlungsmaßnahmen" teilnehmen. Dies solle verhindern, dass die Sorge um den drohenden Vergütungsverlust die Gefangenen davon abhält, an Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung mitzuwirken.
BVerfG-Urteil zwingt Länder zum Handeln
Dieser Gesetzesbeschluss kommt nicht von ungefähr. Er ist eine Antwort auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20. Juni 2023 zur Gefangenenvergütung (Az. 2 BvR 166/16; 2 BvR 1683/17). Darin stellte das Gericht fest, dass die bestehenden Regelungen zur Vergütung der Gefangenenarbeit in den Landesjustizvollzugsgesetzten nicht mit dem Resozialisierungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetzt (GG) vereinbar seien.
Vorausgegangen waren die Verfassungsbeschwerden zweier Gefangener aus NRW und Bayern. Das BVerfG hat daraufhin entscheiden, dass die Vergütung für Gefangenenarbeit in NRW und Bayern neu aufgestellt werden müsse, denn die Arbeit im Strafvollzug diene nur dann der Resozialisierung, wenn sie auch angemessene Anerkennung finde. Die Anerkennung müsse dabei nicht durch rein monetäre Vorteile erfolgen, auch beispielsweise eine Haftverkürzung komme in Betracht. Jedenfalls müsse Gefangenen Sinn und Nutzen von Arbeit vor Augen geführt werden, so das BVerfG.
Kritiker: "Immer noch zu wenig Lohn"
Als Zwecke des Arbeitsentgelts stehen im Resozialisierungskonzept des Landes NRW insbesondere Opferschutz und die Unterstützung bei Unterhaltszahlungen im Vordergrund. Die Anerkennung der Gefangenenarbeit ist also bisher nur zweitrangig.
Mit dem neuen Gesetz wird die von Gefangenen geleistete Arbeit laut NRW-Justizminister Benjamin Limbach nunmehr die vom BVerfG geforderte Anerkennung erhalten: "Dies trägt zur Resozialisierung bei, das heißt einem Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten. Das kommt uns allen zugute." Das Gesetz sei das Ergebnis einer Abstimmung mit Praktikern im Justizvollzug sowie unter anderem einer Befragung von Gefangenen.
Allerdings wurden bereits zur Zeit des Gesetzesentwurfs kritische Stimmen laut. Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe verpasse der Gesetzesentwurf die Chance, die Arbeit im Strafvollzug den allgemeinen Lebensbedingungen weiter anzupassen und einen Systemwechsel einzuleiten.
Die Erhöhung der Vergütung muss laut der Arbeitsgemeinschaft dem Wert, den Erwerbsarbeit außerhalb des Vollzuges hat, vergleichbar sein. Ziel sei es, den Häftlingen die Möglichkeit zu eröffnen, neben dem Konsum auch Unterhaltsleistungen zu bedienen, Schulden zu tilgen, aber auch Ansparungen für die Zeit nach der Haft vorzunehmen. Eine faire Entlohnung drücke daher nicht nur Anerkennung für die geleistete Arbeit aus, sondern sei ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Resozialisierung und die Vermeidung von Rückfälligkeit.
Außer NRW befasst sich auch Thüringen seit 2023 damit, der BVerfG-Entscheidung gerecht zu werden. Laut dem Thüringer Justizministerium prüft eine länderübergreifende Arbeitsgruppe die Anpassung der gesetzlichen Grundlagen für die Beschäftigung in den Haftanstalten. Bis 2025 soll ein Entwurf vorgelegt werden.
eh/LTO-Redaktion
Nach BVerfG-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56055 (abgerufen am: 18.01.2025 )
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