Fragen und Antworten zur Migrationsdebatte: Faeser will Kon­trollen an den Grenzen aus­weiten

26.09.2023

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich für stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Österreich ausgesprochen. Aber was heißt das eigentlich?

Zur besseren Bekämpfung von Schleusern bereitet Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch zusätzliche Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien vor. "Wir bereiten erstmal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen", sagte die SPD-Politikerin. "Und wir müssen schauen, was das dann bringt", fügte Faeser hinzu. Die Ministerin ergänzte, für sie sei wichtig, "dass wir in der Fläche an der Grenze mit Personal vorhanden sind", weil das ansonsten zu einer Verdrängung führe und die Menschen dann an anderen Stellen über die Grenze kämen.

"Wenn wir Schleuser erwischen, wird es viel bringen, weil wir im Moment das Gefühl haben, dass jeder Vierte oder Fünfte über Schleuser ins Land kommt." Eine wirksame Lösung sei aber letztlich nur auf europäischer Ebene möglich, "nämlich eine Grenzkontrolle an der Außengrenze, nicht über Binnengrenzen", betonte die Ministerin.

Die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte, bei der Schleuserkriminalität müsse Abhilfe geschaffen werden. Sie zeigte sich aber skeptisch, was die Wirksamkeit von Grenzkontrollen betrifft. Wenn es überall stationäre Kontrollen an den Grenzen gäbe, werde ein Teil der dort eingesetzten Kräfte andernorts fehlen, etwa an Bahnhöfen. Außerdem werde der Alltag von Menschen im Grenzgebiet, etwa Berufspendlern, dadurch deutlich erschwert.

Grenzkontrollen müssten in Brüssel gemeldet werden

Seit Herbst 2015 gibt es vorübergehende stationäre Grenzkontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich. Sie werden vom Bundesinnenministerium bei der EU-Kommission angemeldet und jeweils verlängert. Die Kontrollen müssen in Brüssel mit einem Vorlauf von etwa einem Monat beantragt werden. Für die Grenze zu Tschechien und Polen ist dies bislang nicht geschehen.

Vor allem über Tschechien und Polen, aber auch auf anderen Routen kommen seit einigen Monaten wieder mehr Asylbewerber nach Deutschland. Zwischen Anfang Januar und Ende August haben mehr als 204.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Viele von ihnen stammen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, deren Staatsbürger in der Regel einen Schutzanspruch in der EU geltend machen können. Bereits vor einigen Wochen waren bereits Pläne des BMI bekannt geworden, die Rechte von Flüchtlingen in Deutschland massiv einzuschränken. Stationäre Grenzkontrollen hält Faeser nun aber erstmals befürwortet, ob diese tatsächlich Realität werden ist aber noch unklar.

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Fragen und Antworten zu Kontrollen an den Grenzen

Das ist nicht völlig klar, jedoch sieht es momentan eher nicht so aus. Denn solche müssten bei der EU-Kommission beantragt werden, was bisher bisher nicht geschehen ist - und nach Informationen aus dem BMI auch erst einmal nicht geplant ist. Gleichwohl sagte Faeser am Dienstag im Deutschlandfunk: "Wir bereiten erstmal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen. Und wir müssen schauen, was das dann bringt."

Stattdessen plant Faeser verstärkte Kontrollen in der Nähe der Grenze und vertritt die Rechtsauffassung, dass die Bundespolizei dabei punktuell - etwa wenn man dort gerade eine Schleusung vermutet - auch direkt an der Grenze Fahrzeuge anhalten kann. So käme man offenbar um eine offizielle Notifizierung in Brüssel herum. Außerdem will Faeser mehr gemeinsame Streifen mit Polen und Tschechien.

An den Grenzkontrollstellen an der deutsch-österreichischen Landgrenze wurden im ersten Halbjahr 2023 nach Angaben der Bundesregierung 4.489 Menschen zurückgewiesen. Im gleichen Zeitraum wurden an der deutsch-schweizerischen Landgrenze, wo die Bundespolizei gemäß einer Vereinbarung mit Bern auf schweizerischem Hoheitsgebiet in Zügen kontrollieren darf, 4.787 Ausländer zurückgewiesen, vor allem weil sie keine gültigen Reisedokumente vorweisen konnten.

Wenn die Kontrollen an einer Stelle verstärkt werden, nehmen die unerlaubten Einreisen erfahrungsgemäß nach einer Weile an einem anderen Grenzabschnitt zu, weil sich die Menschen, die nach Deutschland wollen, und ihre Schleuser darauf eingestellt haben. Außerdem fällt es oft schwer, wenn solche Kontrollen erst einmal eingeführt wurden, einen Ausstieg zu finden. Denn das wirkt dann leicht wie ein Signal, dass ein Staat seine Bestimmungen mit Blick auf irreguläre Migration lockern will. Das zeigt das Beispiel der Kontrollen in Bayern. Die waren im Herbst 2015 erstmals beantragt worden - damals hieß der Bundesinnenminister noch Thomas de Maizière und kam von der CDU. Seither sind sie immer wieder verlängert worden - auch von Nancy Faeser. Zudem ist umstritten, inwiefern die Grenzkontrollen rechtlich zulässig sind.

Obwohl im Schengen-Raum eigentlich das Prinzip der offenen Binnengrenzen gilt, sind es aktuell mehrere Staaten, die innereuropäische Kontrollen durchführen. Spanien hat beispielsweise vom 28. September an für einige Tage Kontrollen angekündigt und dies mit Sicherheitsvorkehrungen rund um die informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs in Granada begründet. An Häfen mit Fährverbindungen zu Schengen-Staaten kontrolliert Norwegen aktuell und begründet dies mit Risiken für kritische Infrastruktur an Land und im Seegebiet sowie der Gefahr durch russische Geheimdienstaktivitäten. Dänemark führt für seine Kontrollen an der Landgrenze zu Deutschland gleich mehrere Gründe an, unter anderem organisierte Kriminalität, irreguläre Migration und die Bedrohung durch islamistischen Terror. Österreich hat für einige Abschnitte Grenzkontrollen notifiziert, Schweden für alle Binnengrenzen. Auch Frankreich hat unter Verweis auf Terror-Risiken und irreguläre Migration über die zentrale Mittelmeerroute und die sogenannte Balkanroute Kontrollen an seinen Grenzen zu Belgien, Luxemburg, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz beantragt. Die Franzosen kontrollieren aber nicht überall rund um die Uhr, sondern eher punktuell.

Stationäre Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes sind juristisch jedenfalls umstritten. Der EuGH bezeichnete diesen freien Binnenraum als "größte Errungenschaft der EU" und entschied deshalb 2022, dass fortgesetzte Grenzkontrollen in Österreich rechtswidrig waren. Diese waren 2015 eingeführt worden und waren immer wieder verlängert worden, sodass der extreme Ausnahmefall zum Dauerzustand wurde. Art. 25 Abs. 4 S. 1 Schengener-Grenzkodex bestimmt nämlich insoweit eine grundsätzliche Beschränkung auf sechs Monate.

Erst vor wenigen Tagen entschied der EuGH außerdem abermals, dass Zurückweisungen von Drittstaatsangehörigen an EU-Binnengrenzen regelmäßig rechtswidrig sind. Dabei stellte der EuGH klar, dass für Binnengrenzen nicht dieselben Regeln gelten, wie für die EU-Außengrenzen.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Fragen und Antworten zur Migrationsdebatte: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52787 (abgerufen am: 06.10.2024 )

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