Saarland macht Vorschlag für die JuMiKo: Poli­ti­ker­be­lei­di­gung auf Jour­na­listen aus­weiten

von Hasso Suliak

30.10.2025

Die saarländische Justizministerin Petra Berg (SPD) drängt darauf, Angriffe auf Medienschaffende zielgerichteter im StGB zu ahnden. Unter anderem soll der umstrittene Tatbestand der Politikerbeleidigung auf Journalisten ausgedehnt werden.

Im April vermeldete die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF), dass sich 2024 die Zahl der Angriffe auf Medienschaffende und Redaktionen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt hat: 89 Vorfälle im Jahr 2023 statt 41 im Vorjahr. Überhaupt erlebten Reporter:innen in Deutschland eine zunehmende Pressefeindlichkeit und ein verengtes Verständnis von Pressefreiheit. Viele Bürger:innen, so die Analyse von RSF, sähen Journalist:innen, die nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammen, mittlerweile als Gegner:innen an.

Um dieser Entwicklung, die auch vom European Center for Press and Media Freedom, dem Deutschen Journalisten-Verband, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse oder dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Friedensforschung der Universität Bielefeld bestätigt werde, entgegenzutreten, fordert nun Saarlands Justizministerin Petra Berg (SPD), Angriffe auf die Pressefreiheit strenger zu ahnden.

Ist das "Herz des Rechtstaats" in Gefahr?

Auf der am 7. November in Leipzig stattfindenden Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister (JuMiKo) will die Sozialdemokratin deshalb ihre Ressortkolleg:innen davon überzeugen, das Strafgesetzbuch (StGB) an der ein oder anderen Stelle zu verschärfen. Gelingt ihr das, dann müsste sich im Anschluss Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) dem Änderungsverlangen der JuMiKo annehmen. Hubigs Parteifreundin jedenfalls ist das Anliegen wichtig: "Wer Journalistinnen und Journalisten angeht, trifft das Herz unseres Rechtsstaats", so Berg gegenüber LTO. Freie Medien seien "die Stimme unserer Demokratie". Sie hinterfragten, deckten auf und schafften Transparenz.

Konkret regt das Saarland in seinem Beschlussvorschlag an, dass neben präventiven Maßnahmen zum Schutz von Medienschaffenden auch strafrechtliche Spezifizierungen und Strafschärfungen in Betracht gezogen werden. Erwogen werden solle etwa, in Fällen von Beleidigungsdelikten Medienschaffende in den Straftatbestand des § 188 StGB einzubeziehen. Zur Erinnerung: Der 2021 ausgeweitete Straftatbestand der "Politikerbeleidigung" wird kontrovers diskutiert. Für einige Strafrechtler ist die Vorschrift bereits in ihrer aktuellen Fassung "Ausdruck eines bedenklichen Eingriffs in die Meinungsfreiheit". Ihn nunmehr auch auf Journalist:innen auszudehnen, dürfte bei ihnen wohl auf Unverständnis stoßen.

"Chilling effect" bei Medienschaffenden verhindern

Neben einer möglichen Ausweitung des § 188 StGB regt die saarländische Justizministerin an, auch andere Straftatbestände wie Körperverletzung (§ 223 StGB), Nötigung (§ 240 StGB) oder Bedrohung (§ 241 StGB) zum Schutz von Pressevertreter:innen anzupassen. Diese Straftatbestände berücksichtigten in ihrer aktuellen Fassung "nicht ausreichend" die Rolle und die öffentliche Verantwortung, in der Medienschaffende bei den angesprochenen Geschehnissen angegriffen werden. 

Zudem wiesen körperliche Übergriffe auf sie nicht selten eine höhere Intensität auf und führten überdies zu erheblichen körperlichen und psychischen Folgen bei den Geschädigten. Dadurch beeinträchtigten sie die im Interesse einer demokratischen Ordnung notwendige freie Berichterstattung in besonderem Maße, nicht zuletzt durch einen "chilling effect" – also die Entmutigung von Journalist:innen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit aus Sorge vor Angriffen.

Speziell bei körperlichen Übergriffen schlägt Berg vor, die Einführung eines strafschärfenden Regelbeispiels oder auch eines Qualifikationstatbestandes bei versuchten oder vollendeten Körperverletzungen oder Bedrohungen von Medienschaffenden zu prüfen. Und schließlich komme auch eine Aufnahme solcher Geschehnisse in die Strafzumessungsregel des § 46 StGB in Betracht.

"Schutzpflicht des Staates"

Dass der Gesetzgeber jedenfalls mehr zum Schutz der Presse tun müsse, ergibt sich nach Auffassung des Saarlands nicht zuletzt aus dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die darin zugunsten der freien Presse garantierten Verbürgungen gewährten nicht nur dem einzelnen Medienschaffenden ein Abwehrrecht gegenüber staatlicher Ingerenz, sondern begründeten auch eine "staatliche Schutzpflicht". Diese Schutzpflicht gebiete es dem Staat, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es den Grundrechtsträger:innen ermöglichen, ihre grundrechtlichen Freiheiten tatsächlich ungehindert und frei von Bedrohungen oder gar Tätlichkeiten wahrzunehmen.

Ob der saarländische JuMiKo-Vorstoß am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten. Nicht ausgeschlossen, dass es ihm am Ende so ergeht wie einem Beschluss der 92. JuMiKo-Konferenz im Juni 2021: Damals war auf Initiative Hessens und Nordrhein-Westfalens ebenfalls die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten worden, "Vorschläge zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Medienschaffenden vor tätlichen Angriffen und rechtswidrigen Behinderungen zu prüfen und gegebenenfalls Regelungsvorschläge vorzustellen". Passiert ist daraufhin jedoch nichts.

Zitiervorschlag

Saarland macht Vorschlag für die JuMiKo: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58500 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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