Die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern wehrt sich gegen die geplante Gerichtsstrukturreform. Rund 800 Richter, Rechtsanwälte und Justizangestellte sowie Kommunalpolitiker haben am Mittwoch mit einem Protestzug durch die Stadt und einer Kundgebung vor dem Schweriner Landtag gegen die Schließung von elf der 21 Amtsgerichte protestiert.
Während der Anhörung des Rechtsausschusses im Schweriner Landtag zur geplante Gerichtsreform protestierten 800 Justiz-Mitarbeiter in der Landeshauptstadt gegen das Vorhaben der Landesregierung. Von bislang 21 Amtsgerichten sollen nur elf bestehen bleiben, 6 davon sollen zu Zweigstellen werden. Grund hierfür sei der demografische Wandel, so Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU).
Dietmar Knecht vom dbb Beamtenbund und Tarifunion sagte vor den Kundgebungsteilnehmern, die Reform sei nicht ausgereift. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung fehle. Am Beispiel anderer Bundesländer zeige sich, dass Amtsgerichte mit drei bis vier Richtern sehr effektiv seien. Im Nordosten sollen die Amtsgerichte künftig mit zehn Richtern besetzt werden. Den Amtsgerichten, die als Zweigstellen bestehen bleiben sollen, stehe "ein Tod auf Raten" bevor, meinte Knecht.
Richterbund, Rechtsanwaltskammer und dbb, die zu dem Protest aufgerufen hatten, befürchten einen bürgerunfreundlichen Rückzug der Justiz aus der Fläche. Von Daseinsvorsorge und Bürgernähe könne dann keine Rede mehr sein, kritisierte der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Axel Schöwe. Der größte Bezirk - Ludwigslust-Parchim - wäre mit 3600 Quadratkilometern größer als das Saarland und hätte ein einziges Amtsgericht.
"Massive Beeinträchtigung des Rechtsschutzes"
Die Abgeordneten des Europa- und Rechtsausschusses des Landtages unterbrachen für die Kundgebung ihre am Morgen begonnene Anhörung zur Gerichtsreform. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Helmut Holter, hält die geplante Reform für unsinnig. Um den Reformbedarf zu begründen, reiche der demografische Wandel allein nicht aus. "Die Geschäftsanfälle in den Gerichten sind nicht im gleichen Verhältnis rückläufig", so Holter.
Die Entfernungen zu den Gerichten würden so groß, dass für viele Bürger faktisch der Rechtsschutz massiv beeinträchtigt oder unmöglich gemacht würde. Aufgrund der längeren Fahrtwege zu den Gerichten entstünden zusätzliche Kosten in Millionenhöhe, die wegen der Kostenhilfen auch der Staatskasse zur Last fielen. Das Land will mit der Reform 34 Millionen Euro in 25 Jahren einsparen.
Auch der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Jürgen Suhr, hält es für eine Farce, den Wegfall von Amtsgerichten lediglich mit dem demografischen Wandel zu begründen. "Bis heute konnte nicht schlüssig dargelegt werde, dass es wirkliche Einsparung durch die Strukturreform gibt."
una/dpa/LTO-Redaktion
Gerichtsreform in MV: . In: Legal Tribune Online, 05.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8857 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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