Im Streit um einen Ordnungsruf hat ein AfD-Abgeordneter vom LVerfG in Greifswald Recht bekommen. Das Wort "Neger" diene nicht immer nur der Provokation oder Herabwürdigung.
Der AfD-Landtagsfraktionschef Nikolaus Kramer hat vor dem Landesverfassungsgericht (LVerfG) in Greifswald im Streit mit dem Landtagspräsidium Recht bekommen. Dem Gericht zufolge verstieß der Ordnungsruf, den die Landtagspräsidentin im November 2018 gegen Kramer wegen mehrfacher Verwendung des Wortes "Neger" aussprach, gegen die Landesverfassung (Urt. v. 19.12.2019, Az. LVerfG 1/19).
Ein Landtagsmitglied kann zur Ordnung gerufen werden, wenn es die Würde oder die Ordnung des Hauses verletzt. Der Ordnungsruf von Landtagsvizepräsidentin Mignon Schwenke (Linke) erfüllte nach Auffassung des Gerichts diese Voraussetzungen aber nicht. Schwenke habe den Ordnungsruf pauschal für mehrere Verwendungen des beanstandeten Wortes in unterschiedlichen Zusammenhängen erteilt. Die Würde des Hauses sei aber nicht in allen Fällen verletzt worden. So habe Kramer das Wort in einer Debatte um Leistungsmissbrauch durch Asylbewerber in einem Zwischenruf verwendet, aber auch in einem Redebeitrag, in dem er erläuterte, dass er das Wort bewusst gewählt habe, weil er sich nicht vorschreiben lasse, was ein Schimpfwort sei. Außerdem benutzte er das Wort, als er die fiktive Reise eines jungen Mannes aus Ghana beschrieb.
Die Landtagspräsidentin habe dabei nicht näher zwischen den verschiedenen Verwendungen differenziert, so das Gericht. Nach seiner Auffassung hat sie Kramer damit in seinem Rederecht verletzt. "Unabhängig von dem konkreten Zusammenhang, in dem ein Wort verwendet wird, kann es allenfalls dann mit einem Ordnungsruf beanstandet werden, wenn es in keinem denkbaren Zusammenhang geeignet wäre, etwas zur inhaltlichen Auseinandersetzung beizutragen oder in den Kontext einer inhaltlichen Stellungnahme eingebettet zu werden, wenn es also ausschließlich der Provokation oder der Herabwürdigung anderer dienen kann", so das Gericht in einer Mitteilung. Das Wort "Neger" gehöre allerdings nicht dazu.
Ein pauschaler Ordnungsruf für verschiedene "Neger"-Verwendungen
Es werde zwar nach heutigem Sprachgebrauch in der Regel als abwertend verstanden, so die Richter. Ob es tatsächlich so gemeint ist, kann nach Auffassung des Gerichts jedoch nur aus dem Zusammenhang heraus beurteilt werden. Es könne zitierend oder ironisch verwendet oder benutzt werden, um über das Wort, seine Verwendung und seine Verwendbarkeit zu sprechen, wie es im vorliegenden Sachverhalt der Fall gewesen sei. Dann könne das Wort auch dazu geeignet sein, etwas zur inhaltlichen Auseinandersetzung beizutragen.
Die Landtagspräsidentin hätte auf diesen Gebrauch des Wortes deshalb nicht mit einem Ordnungsruf reagieren dürfen. Der für mehrere Verwendungen des Wortes in unterschiedlichen Kontexten einheitlich erteilte Ordnungsruf sei deshalb unzulässig gewesen. "Daher kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die weiter einbezogenen Äußerungen des Abgeordneten im Einzelnen zu Recht hätten gerügt werden können", entschied das Gericht.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
AfD-MdL mit Organklage erfolgreich: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39329 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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