Im Rahmen von Hartz-IV-Anträgen findet normalerweise eine sorgfältige Vermögensprüfung statt. Wegen der Corona-Pandemie hat die Bundesagentur für Arbeit die Prüfungen jedoch vereinfacht - in rechtswidriger Weise, so das LSG Celle.
Während der Corona-Pandemie soll eine Vermögensprüfung bei Hartz-IV-Anträgen nur noch bei erheblichem Vermögen stattfinden. Hierzu hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschieden, dass die entsprechenden Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Bestimmung des Vermögensfreibetrages nicht gesetzeskonform sind (Beschl. v. 21.1.2021, Az. L 7 AS 5/21 B ER).
Eine Juristin aus Hannover hatte im Mai 2020 erstmals Grundsicherungsleistungen beantragt. Das Verfahren ist wegen der Pandemie vereinfacht worden und so musste die Frau im Antrag nur Angaben zu etwaigen Vermögen von über 60.000 Euro machen. Da die Angaben aus Sicht des Jobcenters aber unklar waren, forderte es Kontoauszüge an. Aus diesen ergab sich, dass 59.900 Euro auf dem Konto vorhanden waren und die 41-Jährige kurz zuvor zweimal 2.000 Euro abgehoben hatte. Verwendungsnachweise konnte und wollte sie nicht vorlegen.
Das Jobcenter lehnte in der Folge den Antrag mit der Begründung ab, dass die Juristin über Vermögen von mehr als 60.000 Euro verfüge, da sie keine Nachweise für die Verwendung der Barabhebungen erbracht habe. Die Frau meinte hingegen, dass sie über kein erhebliches Vermögen verfüge, denn der Kontowert in Höhe von 59.900 Euro unterschreite die Freibetragsgrenze. Sie wandte sich in einem Eilverfahren an die Gerichte.
Vereinfachung ja, aber nicht auf Basis starrer Vermögensbeträge
Das LSG verneinte den Leistungsanspruch nun jedoch. Zunächst sei schon zweifelhaft, ob die Corona-Regelungen, die die Antragstellung vereinfachen, überhaupt anwendbar sind, da die Lage der Juristin nicht mit der besonderen Situation von Einkommenseinbußen bei Kleinunternehmen und Solo-Selbstständigen vergleichbar sei.
In jedem Falle könne aber keinesfalls ein fester Vermögensbetrag maßgeblich sein: Die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit orientierten sich an den Verwaltungsvorschriften zum Wohngeldgesetz, so das LSG, die aber im einschlägigen Sozialgesetzbuch II keine Stütze fänden. Ob ein Antrag auf Hartz-IV-Leistungen missbräuchlich ist oder nicht, könne nicht auf Basis pauschaler und starrer Vermögensgrenzen erfolgen. Außerdem stellten frühere Freibetragsgrenzen der Vermögenssteuer, die seit Jahren abgeschafft seien, schon gar keinen geeigneten Maßstab dar.
Von einem erheblichen Vermögen müsse stattdessen immer dann ausgegangen werden, wenn "im Einzelfall für jedermann offenkundig sei, dass Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt sind", befand das Gericht. So könne auch beispielsweise Betriebsvermögen von über 60.000 Euro unbedenklich sein, während im Fall der Juristin aus Hannover das allgemeine Schonvermögen maßgeblich sei, das für alle Hartz-IV-Empfänger gelte.
ast/LTO-Redaktion
LSG Celle: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44212 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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