Trotz einer Gesetzesänderung können Krankenkassen bestehende Exklusivverträge über die Lieferung von Grippeimpfstoffen mit der Pharmaindustrie nicht wirksam kündigen. Das neue Recht gelte nicht für alte Verträge, entschieden die Richter.
Bestehende Exklusivverträge über den vergünstigten Einkauf von Grippeimpfstoffen können von Krankenkassen auch nach einer diesjährigen Gesetzesänderung nicht einfach gekündigt werden, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem am Montag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 20.07.2017, L 4 KR 307/17 B ER).
Geklagt hatte ein Hannoveraner Pharmahersteller, der mit elf Krankenkassen Rabattverträge über Grippeimpfstoffe für die beiden kommenden Winter geschlossen hatte. Als Gegenleistung für den Rabatt verpflichteten sich die Kassen, ihre Versicherten ausschließlich mit den Medikamenten des Herstellers zu versorgen.
Solche Exklusivverträge waren nach einer gesetzliche Neuregelung aus dem Jahr 2015 möglich. Nachdem der Gesetzgeber die Norm 2017 wieder ersatzlos gestrichen hatte, kündigten viele Krankenkassen die Verträge mit "ihren" Herstellern und schlossen neue Rabattverträge mit Apothekerverbänden. Sie führten an, dass mit der Neuregelung die Exklusivität aller Verträge entfiele und auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diese Auffassung vertrete.
LSG: Neues Recht gilt nur für künftige Verträge
Die Bremer Richter waren allerdings anderer Ansicht: Sie bestätigten stattdessen die Auffassung des Herstellers, dass neues Recht nicht in alte Verträge eingreife. Das Gericht stützte die Eilentscheidung auf das verfassungsrechtliche Institut der echten und unechten Rückwirkung, den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.
So habe der Gesetzgeber keinen Eingriff in laufende Verträge geregelt, weil er sich der Rückwirkungsproblematik bewusst gewesen sei, wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei. Dort habe er lediglich festgehalten:
"Mit dem Inkrafttreten der Regelung entfällt die Grundlage für die exklusive Versorgung mit Impfstoffen. Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden."
Daraus gehe hervor, dass allein eine Änderung bezüglich künftiger Verträge, nicht aber ein Eingriff in bereits bestehende Verträge vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sei.
Wie auch das Sozialgericht Hannover (Az. S 10 KR 724/17) stellte sich das LSG damit gegen die Auffassung des BMG. Dessen Interpretation sei aber auch rechtlich unerheblich, da sie nicht in das legislative Verfahren eingeflossen sei, so die Richter.
nas/LTO-Redaktion
LSG Niedersachsen zu Exklusivverträgen: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24045 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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