Druckversion
Sonntag, 10.12.2023, 11:53 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/linksfraktion-unterstuetzungseinsaetze-bundespolizei-auskunftsrecht-1/
Fenster schließen
Artikel drucken
15719

BVerfG zu Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei: Re­gie­rung muss Bun­des­tag ant­wor­ten

02.06.2015

Bild: Bundespolizei

Der Bundestag hat gegenüber der Bundesregierung einen weiten Informationsanspruch zu Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei. Das BVerfG gab am Dienstag der Linksfraktion des Bundestags teilweise Recht.

Anzeige

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben am Dienstag die Maßstäbe konkretisiert, nach denen die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen zu Einsätzen der Bundespolizei zur Unterstützung der Länder antworten muss. Auch wenn die Länder für den einzelnen Einsatz verantwortlich seien, müsse die Bundesregierung auf Fragen von Fraktionen oder Abgeordneten des Bundestags antworten, wenn diese jedenfalls auch den Verantwortungsbereich des Bundes beträfen (Urt. v. 02.06.2015, Az. 2 BvE 7/11).

Dazu zählen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Fragen zu Ausbildung und Ausrüstung der im konkreten Fall eingesetzten Beamten und zu Disziplinarmaßnahmen, die gegen einzelne Bundespolizisten aufgrund ihres Verhaltens eingeleitet wurden. Auch müsse sich die Regierung dazu äußern, warum sie dem Unterstützungsersuchen eines Landes gefolgt ist. Dabei treffe sie auch die Pflicht, solche Tatsachen mitzuteilen, die zwar aus dem Bereich des jeweiligen Landes stammen, jedoch die Grundlage der Entscheidung der Bundesregierung für den Unterstützungseinsatz bildeten.

Das Frage- und Informationsrecht folgt nach gefestigter Karlsruher Rechtsprechung aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG). Es dient nicht zuletzt der Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament und ist damit Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Bundestag, stellten die Richter am Dienstag klar.

Bund hätte Reizgaseinsatz aufklären müssen

Die Entscheidung ist ein Teilerfolg der Fraktion Die Linke des Deutschen Bundestags, die sich mit den bisherigen Antworten auf ihre Fragen zu mehreren Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei unter anderem in Berlin nicht zufrieden geben wollte. In dem Organstreitverfahren hatte sie nun hinsichtlich zweier Fragen, mit denen die Abgeordneten einen möglicherweise unverhältnismäßigen Einsatz von Pfefferspray und Reizgas am Kottbusser Tor in Berlin aufklären wollten, Erfolg. Die Bundesregierung sei verpflichtet gewesen, zu ermitteln, ob es zu einem rechtswidrigen Verhalten von einzelnen Bundespolizisten gekommen und ob dies auf Weisung der Einsatzleitung des Landes geschehen sei. Das Ergebnis hätte sie in ihrer Antwort mitteilen müssen, so die Richter.

Die Informationspflicht stößt allerdings auf Grenzen, wo es um Aspekte der Vorbereitung, Planung und Durchführung eines Einsatzes geht, die das jeweilige Land zu verantworten hat. Nach Art. 30, 70 und 83 GG seien die Länder dafür zuständig, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch polizeiliche Maßnahmen abzuwehren. Der Bund übernehme durch Unterstützung durch Kräfte der Bundespolizei weder faktisch noch rechtlich die Verantwortung für die Leitung des Einsatzes, so die Entscheidung.

Dies werde auch anhand von § 11 Abs. 2 Bundespolizeigesetz (BPolG) deutlich, wonach sich die Unterstützung eines Landes nach dem für das Land geltenden Recht richtet. Entsprechend treffe diesbezüglich nur die jeweilige Landesregierung eine Informationspflicht gegenüber der Volksvertretung des Landes. Die Linke, die längst nicht in jedem Landesparlament vertreten ist, könne  sich insoweit nicht auf eine "Legitimations- oder Kontrolllücke" berufen, so das BverfG. Das sei lediglich die Folge des föderalen Staatsaufbaus.

Bund trägt dienstrechtliche Verantwortung für rechtswidriges Handeln

Unabhängig von der Weisungsbefugnis im Einzelfall trage der Bund aber immer die dienstrechtliche Verantwortung für rechtswidriges Handeln der eingesetzten Beamten. Parlamentarische Anfragen hierzu seien also stets zu beantworten. Allerdings müssten die Fragen erkennen lassen, auf welchen Tatsachen der Verdacht beruht. Die Bundesregierung sei dann verpflichtet, mitzuteilen, welche Weisungslage bestand und ob sich die Beamten der Bundespolizei daran gehalten haben.

Die Regierung muss ebenfalls stets begründen, warum sie eine parlamentarische Anfrage zu einem Unterstützungseinsatz nicht beantworten will. Auch, wenn sie nicht verpflichtet ist, zu antworten. Es reiche aber der Hinweis, dass diesbezüglich das jeweilige Land zuständig sei.

una/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerfG zu Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei: Regierung muss Bundestag antworten . In: Legal Tribune Online, 02.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15719/ (abgerufen am: 10.12.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • Polizei- und Ordnungsrecht
    • Abgeordnete
    • Auskunftsrecht
    • Bundespolizei
    • Bundestag
    • Polizei
  • Gerichte
    • Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
06.12.2023
Suizid

VG Gießen zu Suizid-Ankündigung:

Anrufer muss Kosten für Han­dy­or­tung tragen

Ein Mann, der mehrfach bei Polizei und Stadtverwaltung anrief und über seinen möglichen Suizid sprach, muss die Kosten für die Ortung seines Handys tragen. Er hatte unter anderem angedroht, sich und andere zu verletzen.

Artikel lesen
05.12.2023
Haushalt

Sachverständige zur Haushaltskrise:

Nach­trags­haus­halt 2023 ist grund­ge­setz­kon­form

Die Rechtsprofessoren gaben grünes Licht: Der Nachtragshaushalt 2023 entspreche den Karlsruher Vorgaben. Bedenken hatten nur die Ökonomen und der Bundesrechnungshof. Christian Rath hat zugehört.

Artikel lesen
10.12.2023
Menschenrechte

75. Geburtstag:

All­ge­meine Erklärung der Men­schen­rechte – nichts als Pathos?

Am 10. Dezember 1948 einigte sich die UN-Generalversammlung auf "allgemeine" Menschenrechte. Inwiefern die Deklaration durchsetzbare Versprechen enthält, war lange unklar. Auch heute lässt sich über ihre Funktion streiten.

Artikel lesen
10.12.2023
Schufa

SCHUFA-Urteil zum Datenschutz:

Der EuGH-Urteil wird zum Pro­blem für KI

Der EuGH läutet nicht das Ende der SCHUFA ein. Das Urteil könnte aber KI-basierte Entscheidungen stark beschränken – zu stark. Der Gesetzgeber muss handeln, meint Gregor Thüsing.

Artikel lesen
07.12.2023
Bürgergeld

Der Sozialstaat nach dem Schuldenbremse-Urteil:

Die Höhe des Bür­ger­geldes ist nicht beliebig

Sollte das Bürgergeld wegen knapper Kassen nicht erhöht werden? Vorschläge, Haushaltsprobleme bei den Ärmsten abzuladen, haben Konjunktur. Doch sie verkennen das Gesetz und die Rechtsprechung des BVerfG. Eine Analyse von Thorsten Kingreen.

Artikel lesen
08.12.2023
Rechtsberatung

BGH zum Fall "Die Freien Brauer":

Bran­chen­ver­bände dürfen ihre Mit­g­lieder recht­lich beraten

In Deutschland ist streng geregelt, wer juristisch beraten darf. Der Verband "Die Freien Brauer" beriet zum Schadensersatz wegen überhöhter Zuckerpreise. Das OLG Karlsruhe hielt dies für rechtswidrig, der BGH ist anderer Ansicht.

Artikel lesen
TopJOBS
Rechts­an­walt (m/w/d) - Bul­ga­ri­en

Rödl & Partner

Rechts­an­walt (m/w/d) - Me­xi­ko

Rödl & Partner

Re­fe­ren­dar*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Voll­ju­ris­tin/-en als wis­schen­schaft­li­che/-n Re­fe­ren­tin/-en (m/w/d) für die...

CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen , Düs­sel­dorf

Re­fe­ren­da­rin/​Re­fe­ren­dar (m/​w/​d) Wirt­schafts­ver­wal­tungs­recht

REDEKER SELLNER DAHS , Bonn

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht im Fernstudium/online

11.12.2023

Essentials – Die moderne Anwaltskanzlei

11.12.2023

Der Einstieg in die Gebührenabrechnung nach RVG

11.12.2023

beA-Nutzung in RA-MICRO im Posteingang und Postausgang

11.12.2023

GmbH-Steuer-Highlights 2023/2024

12.12.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH