Hat die Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem VW-Skandal Amtspflichten verletzt? Das LG Stuttgart findet: Nein. VW-Käufer haben keine Schadensansprüche gegen Deutschland.
Das Landgericht (LG) Stuttgart hat entschieden, dass Autokäufer, deren Fahrzeug von der VW-Abgasaffäre betroffen sind, keinen Schadensersatzanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland haben. Die 7. Zivilkammer hielt drei entsprechende Feststellungsklagen bereits für unzulässig und jedenfalls für unbegründet, wie am Donnerstag mitgeteilt wurde (Urt. V. 27.08.2020, Az. 7 O 425/19 u.a.). Mittlerweile seien mehr als 20 gleichgelagerte Schadensersatzklagen anhängig, hieß es.
Die Kläger werfen der Bundesrepublik Deutschland - vertreten durch das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt - vor, VW nicht ausreichend geprüft und überwacht zu haben. Trotz früher Anzeichen für überhöhte Emissionen seien die Behörden zu lange untätig geblieben. Dafür fordern die Kläger Schadensersatz. Sie sind oder waren nach Gerichtsangaben jeweils Inhaber eines mit dem manipulierten VW-Dieselmotor EA 189 ausgestatteten Fahrzeuges.
Nach Auffassung des LG fehlte es den Klägern aber bereits am erforderlichen Feststellungsinteresse. Einer der Kläger habe sich bereits mit VW auf einen Vergleich verständigt. Der von den Klägern geltend gemachte europarechtliche Staatshaftungsanspruch sei ebenfalls nicht gegeben, so das Gericht. Es fehle bereits an einer europarechtlichen Norm, die dem Schutz individueller Vermögensinteressen der Fahrzeugkäufer diene und bezwecke, diesen insoweit Rechte zu verleihen.
Keine Ansprüche aus EU-Richtlinie
Die Kläger hatten sich auf die EU-Typengenehmigungsrichtlinie 2007/46/EG berufen. Laut Gericht sei das Ziel der Richtlinie aber in erster Linie die Vollendung des europäischen Binnenmarktes und die Harmonisierung der technischen Anforderungen. Von Individualinteressen, vor allem dem Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, sei nach Ansicht der Kammer jedoch keine Rede. Es sei auch nicht ersichtlich, dass Deutschland Art. 46 der Richtlinie unzureichend umgesetzt habe, wonach die Mitgliedstaaten für Verstöße wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen müssen.
Auch ein für Haftungsfragen nötiger hinreichender Verstoß des Kraftfahrt-Bundesamts bei der Erteilung der Typengenehmigung für die betreffenden VW-Fahrzeuge könne nicht festgestellt werden. Etwaigen Ansprüchen der Kläger nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG stünde entgegen, dass zunächst eine Haftung von VW gemäß § 826 BGB in Betracht komme - und ein eventueller Amtshaftungsanspruch daher kraft Gesetzes zurücktrete.
Die VW-Dieselaffäre war im September 2015 zuerst in den USA ans Licht gekommen. Der Autokonzern hatte manipulierte Abgas-Software in Fahrzeuge eingebaut, die dafür sorgte, dass in Tests niedrigere Stickoxid-Emissionen angezeigt wurden als im tatsächlichen Straßenverkehr.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
LG Stuttgart zur Dieselaffäre: . In: Legal Tribune Online, 27.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42618 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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