LG Stuttgart erkennt keinen Mord: Raser zu fünf Jahren Jugend­strafe ver­ur­teilt

15.11.2019

Ein junger Mann mietet einen Sportwagen, um mal richtig Gas zu geben. Im Geschwindigkeitsrausch baut er einen Unfall, zwei Menschen sterben. Nun hat das LG Stuttgart entschieden, dass der Crash nicht als Mord zu werten ist.

Nach einem Raser-Unfall mit zwei Toten in der Stuttgarter Innenstadt ist ein junger Mann zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Das Landgericht (LG) Stuttgart sprach den 21-Jährigen am Freitag wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung schuldig. "Dass Sie ein Mörder sind, konnten wir nicht feststellen", sagte die Richterin bei der Verkündung. Sachverständig beraten hielt es das Gericht für geboten, auf den zum Tatzeitpunkt 20-jährigen Angeklagten aufgrund seiner erheblichen Reifeverzögerungen das Jugendstrafrecht anzuwenden (Urt. v. 15.11.2019, Az. 4 Kls 60 Js 24715/19 jug.).

Angeklagt war der junge Mann ursprünglich wegen Mordes. Der Mann hatte im März bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über einen gemieteten Sportwagen verloren. Das Fahrzeug war gegen einen stehenden Kleinwagen geprallt, in dessen Trümmern zwei junge Menschen aus Nordrhein-Westfalen ums Leben kamen.

Vor dem Zusammenstoß hatte der PS-starke Wagen des Angeklagten den Angaben eines Gutachters zufolge bis zu 165 Stundenkilometer auf dem Tacho. Die Richterin warf dem 21-Jährigen zwar einen "riskanten und rücksichtslosen Fahrstil" vor, allerdings sei der junge Mann zuvor nicht wegen Verkehrsgefährdung aufgefallen.

Die Gefahr für andere bei der Fahrt habe der Mann allerdings erkannt und bewusst in Kauf genommen, er habe auch die Strecke sehr gut gekannt. "Das gesamte Gefahrenszenario war Ihnen bekannt, das wussten Sie", sagte die Richterin. Mit "völliger Überschätzung seiner Möglichkeiten" habe er allerdings auf sein Können am Steuer vertraut. Der Angeklagte habe ernsthaft darauf vertraut, den Tod anderer nicht zu riskieren, sagte die Richterin weiter. Allerdings nahm die Kammer an, dass der Angeklagte durch sein Fahrverhalten jedenfalls die zugrundeliegende Gefahr vorsätzlich herbeigeführt hat.

Erste Verurteillung nach § 315d Abs. 5 StGB

Nach Auffassung der Jugendkammer war der Angeklagte demnach wegen Verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Strafgesetzbuch (StGB) in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2d StGB zu bestrafen. Die Strafvorschrift des § 315d StGB erfasst nicht nur illegale Autorennen, sondern ausdrücklich auch das grob rücksichtslose und verkehrswidrige Fahren mit Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr ("Rasen"). Das Gericht sah zudem die besondere Erfolgsqualifikation des Absatz 5 der Vorschrift als gegeben an, da der Angeklagte durch die Tat den Tod zweier Menschen verursacht habe.

Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um die erste Verurteilung bundesweit, die sich auf die neue Strafvorschrift des § 315d StGB in der Variante der Erfolgsqualifikation stützt. Der Gesetzgeber hatte die Vorschrift erst am 30.09.2017 in das StGB eingefügt und damit eine Strafbarkeitslücke geschlossen. Die Staatsanwaltschaft und die drei Nebenkläger hatten Haftstrafen wegen Mordes gefordert. Die Verteidigung hatte sich für eine Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung ausgesprochen.

Zudem wurde dem Angeklagten untersagt, für die Dauer von vier Jahren nach seiner Haftentlassung Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

LG Stuttgart erkennt keinen Mord: Raser zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt . In: Legal Tribune Online, 15.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38737/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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