ProSiebenSat.1 muss in Bayern die Werbung einer österreichischen Modefirma ausstrahlen - und zwar nur in Bayern. Denn das regionale TV-Werbeverbot für nationale Fernsehsender ist europarechtswidrig, so das LG Stuttgart.
Das Verbot für bundesweite TV-Programme in Deutschland, regional unterschiedliche Werbung auszustrahlen, ist europarechtswidrig. Das teilte das Landgericht (LG) Stuttgart am Donnerstag mit. Damit muss der private Medienkonzern ProSiebenSat.1 mit Sitz in Unterföhring bei München Werbung einer österreichischen Modefirma, die nur in Bayern laufen sollte, ausstrahlen (Az. 20 O 43/19).
Das Modeunternehmen hatte gegen den Sender geklagt, weil er die Werbung nicht zeigte. Hintergrund sind die Regelungen im Medienstaatsvertrag der Bundesländer, in dem das regionale TV-Werbeverbot steht. Danach ist eine regionale Verbreitung von Werbung in einem bundesweit ausgerichteten TV-Programm grundsätzlich verboten ist. Hintergrund ist, dass die Bundesländer die Position von lokalen und regionalen Medien im Sinne der Meinungsvielfalt stärken wollen. Diese sollen von Einnahmen durch regionale Werbung profitieren können.
Das LG Stuttgart hat ProSiebenSat.1 hat nun dazu verurteilt, die Werbung auszustrahlen. Das regionale TV-Werbeverbot sei weder mit dem europarechtlich garantierten freien Dienstleistungsverkehr noch mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar und verstoße daher gegen Europarecht.
Medienvielfalt kann nur "bruchstückhaft" geschützt werden
Im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit sei das Werbeverbot bereits nicht geeignet, regionale TV-Sender, bei denen die Regionalwerbung eine wichtige Einnahmequelle ist, umfassend zu schützen. Denn regionale Werbung auf Internetplattformen stellten gleichfalls eine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter dar.
"Die Internetplattformen würden in ähnlich großem Maße wie die nationalen Fernsehveranstalter die Einnahmen gefährden, die die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter mit dieser Werbung erzielen", so das Gericht. Von den Internetplattformen gehe daher die gleiche Gefahr für das finanzielle Wohlergehen und den Fortbestand der regionalen und lokalen Fernsehveranstalter aus.
Ein Schutz der Medienvielfalt in Deutschland sei mit einem regionalen TV-Werbeverbot für bundesweite TV-Sender nur "bruchstückhaft" zu erreichen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei die damit verbundene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit "inkohärent" und damit ungeeignet den Medienpluralismus zu schützen.
Dienstleister im Internet dürfen werben
Daneben verstößt das regionale TV-Werbeverbot auch gegen den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, entschied das LG Stuttgart. Die nationalen Fernsehanstalten würden anders behandelt als die Anbieter von Werbedienstleistungen im Internet, denen eine Regionalwerbung gestattet sei. Damit würden vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt, ohne dass es dafür eine objektive Rechtfertigung gebe, heißt es in dem Urteil. Die 20. Kammer war nach einem Sachverständigengutachten davon überzeugt, dass die Geschäftsmodelle und Zielgruppen nationaler Fernsehsender und Werbedienstleister im Internet vergleichbar seien.
Bereits im Februar hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf Bitten des LG Stuttgart zu dem Fall eine Einschätzung abgegeben, dass das in Deutschland geltende regionale Werbeverbot für bundesweit ausgestrahlte TV-Programme gegen EU-Recht verstoßen könnte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das TV-Unternehmen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Berufung einlegen. ProSiebenSat.1 zeigte sich jedoch zufrieden mit der Entscheidung. Vorstand Wolfgang Link teilte mit: "Die Adressierbarkeit von Werbekampagnen im TV ist ein wichtiger Wachstumsfaktor für unsere Vermarktung. Der heutige Gerichtsentscheid erschließt neue Potenziale." Er ermögliche, ab 2022 die Nachfrage nach regional adressierbarer Werbung zu bedienen. Gleichzeitig sei die richterliche Entscheidung ein wichtiger Schritt hin zu fairen Wettbewerbsbedingungen mit Internetplattformen.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
LG Stuttgart sieht Unionsrechtswidrigkeit: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47038 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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