LG Stuttgart zur Corona-Pandemie: Unfall­ver­s­ur­sa­cherin muss auch Des­in­fek­tion nach Auto­re­pa­ratur bezahlen

09.08.2021

Seit Beginn der Pandemie gehört das Desinfizieren zum Alltag, so auch in Autowerkstätten. Entsprechend muss ein Unfallgegner auch die Kosten einer Autodesinfektion zwecks Reparaturarbeiten tragen, so das LG Stuttgart.

Muss ein Auto nach einem Unfall in eine Reparaturwerkstatt, ist in Zeiten der Pandemie eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen vor Abholung des fertig reparierten Fahrzeugs durch den Geschädigten zu erwarten. Es besteht dabei ein Anspruch auf Ersatz der Desinfektionskosten, hat das Landgericht Stuttgart (LG) in einem aktuellen Urteil entschieden (Urt. v. 21.07.2021, Az. 13 S 25/21).

Der Entscheidung zugrunde liegt der folgende Fall: Bei einem Unfall wurde das Auto einer Frau beschädigt. Sie brachte es daraufhin in eine Werkstatt und ließ es reparieren. Vor der Reparatur sowie vor Abholung wurde das Auto außerdem von der Werkstatt desinfiziert. Diese Desinfektionskosten in Höhe von 57,30 Euro wollte die Unfallverursacherin aber nicht zahlen, sie hielt diese im Rahmen der Schadensbeseitigung nicht für notwendig.

Nachdem sie vor dem Amtsgericht Stuttgart noch keinen Erfolg hatte, bekam die klagende Autofahrerin, deren Wagen von der Unfallverursacherin beschädigt worden war, nun vor dem LG Recht. Das Gericht entschied, dass eine solche Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen vor Abholung des Autos in Zeiten der Pandemie zu erwarten und im Rahmen der Schadensbeseitigung erforderlich sei. Entsprechend habe die Unfallverursacherin auch diese Kosten zu ersetzen.

Das Gefühl, vor Corona sicher zu sein, als schützenswertes Gut

Dabei komme es auch nicht darauf an, wie wahrscheinlich eine Schmierinfektion tatsächlich ist, so das LG. Vielmehr sei es eine Beeinträchtigung, den privaten PKW ohne eine solche Desinfektion entgegen nehmen zu müssen. Denn, so das LG, "das eigene Fahrzeug ist ein Bereich der Privatsphäre, in dem die Empfindlichkeit hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse und möglicher Kontaminationen von außen besonders hoch ist."

Die betroffene Person könne nicht wissen, wie viele Werkstattmitarbeiter wie lange in dem Auto waren und die Infektionsgefahr als medizinischer Laie nicht ausschließen. Das "Sicherheitsgefühl" des Einzelnen, sich keinem Infektionsrisiko auszusetzen, bewertet das LG im Zuge der möglichen schweren Folgen einer Coronainfektion "und der zum Teil unklaren Informationslage" als schützenswert. Es sei alternativ auch nicht zumutbar, das eigene Auto nur noch mit Maske und Hygienehandschuhen zu nutzen.

Das Gericht schätzt den Aufwand einer solchen Desinfektion dabei als gering ein. Es genüge, die Flächen mit Desinfektionsspray oder -tuch zu behandeln. Die Kammer setzt die Kosten dafür auf 25 Euro plus Umsatzsteuer fest. Damit sprach es der klagenden Autobesitzerin einen Betrag in Höhe von 29,75 Euro zu.

Desinfektion vor und während der Reparatur nicht ersatzfähig

Eine darüber hinausgehende Desinfektion des Autos vor oder während der Reparatur hält das Gericht hingegen nicht für erforderlich. Es erschließe sich der Kammer nicht, heißt es in der Urteilsbegründung, warum die Werkstattmitarbeiter während der Arbeiten am Fahrzeug nicht durch Masken und Hygienehandschuhe geschützt werden können.

Die über die für die abschließende Desinfektion hinausgehenden Kosten müsse die klagende, geschädigte Frau daher selber bezahlen, da sie nur den für die Wiederherstellung erforderlichen Betrag von der Unfallverursacherin ersetzt verlangen könne. Was erforderlich sei, richte sich danach, was ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und angemessen hält. Das treffe auf die Desinfektion vor und während der Reparatur nicht zu, sondern nur auf die danach.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Stuttgart zur Corona-Pandemie: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45686 (abgerufen am: 13.11.2024 )

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