Noch vor Weihnachten wollen die Richter des LG Stade das Urteil gegen den mutmaßlichen Kindermörder Martin N. fällen. Doch jetzt ist ein neues Missbrauchsopfer aufgetaucht. Das könnte den Prozess verzögern, denn die Verteidigung will erst die Glaubwürdigkeit des Zeugen prüfen.
Die Liste der Gräueltaten des "Maskenmanns" ist lang. Drei Jungen soll der 40 Jahre alte Pädagoge ermordet und etliche sexuell missbraucht haben. Dennoch könnte der Prozess gegen den mutmaßlichen Serienmörder noch vor Weihnachten zu Ende gehen. Zehn Tage lang hätte das Landgericht (LG) Stade dann seit Oktober verhandelt. Doch ob die Richter das Urteil wie angepeilt am 23. Dezember fällen können, ist seit Montag fraglich.
Vor wenigen Tagen ist ein bislang unbekanntes Missbrauchsopfer aufgetaucht. Die Kammer hatte den jungen Mann am Montag als Zeugen geladen. Seine Aussage wurde aber nach einem Einspruch der Verteidiger auf Mittwoch verschoben. Sie wollen erst genau prüfen, ob der Zeuge glaubwürdig ist. Auch das Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten soll frühstens am nächsten Verhandlungstag drankommen.
Vergangene Woche habe der Zeuge bei der Polizei angegeben, dass Martin N. ihn 2007 missbraucht habe, sagte Oberstaatsanwalt Johannes Kiers. Jahrelang hatte er geschwiegen - bis sein Halbbruder vor einer Woche gegen Martin N. wegen sexueller Übergriffe von 2002 bis 2004 vor Gericht aussagte. Danach vertraute sich der junge Mann seinem Vater an, der daraufhin die Polizei informierte.
Die beiden Halbbrüder könnten in dem Prozess eine wichtige Rolle hinsichtlich der Sicherungsverwahrung spielen. Denn ihre Aussagen belegen, dass der aus Bremen stammende Verdächtige sich auch später noch an Jungen vergriffen hat - also möglicherweise auch heute noch gefährlich ist. Die Anklageschrift legt ihm drei Morde und 20 Missbrauchsfälle zwischen 1992 und 2001 zur Last. Den Großteil der Taten hat der "Maskenmann" gestanden.
Getarnt mit einer Sturmhaube und dunkler Kleidung soll Martin N. nachts in Häuser, Ferienheime oder Zeltlager eingedrungen sein und sich an den schlaftrunkenen Jungen vergriffen haben. Wie aus einem Alptraum tauchte der "schwarze Mann" mit der Maske neben ihrem Bett auf und verschwand nach einiger Zeit wieder - meist unbemerkt von Eltern oder Betreuern.
Dreimal entführte und tötete er seine Opfer. Den 13-jährigen Stefan und den achtjährigen Dennis R. verscharrte er im Sand. Den neunjährigen Dennis K. legte er in einem Wald ab.
Fast zehn Jahre nach seinem letzten Mord kamen ihm die Fahnder schließlich auf die Schliche. Sie schnappten ihn Mitte April vor seiner Wohnung in Hamburg, wo er seit einigen Jahren lebte.
Mehrere Stunden verhörten ihn Sonderkommissionsleiter Martin Erftenbeck und der aus München zugezogene Profiler Alexander Horn. Immer wieder brach Martin N. in Tränen aus. "Man hat gemerkt, er hat mit sich gerungen", sagte Horn am Montag vor Gericht.
Seine pädophile Neigung räumte Martin N. im Laufe des Verhörs ein. "Ich lieb' halt auch die Jungs", soll er nach Angaben von Horn gesagt haben. Doch ein Geständnis legte er nicht ab.
Erst am nächsten Vormittag brach es aus ihm heraus. Weinend lehnte er sich an die Schultern von Horn. "Ich habe ihn gefragt, ob er der "schwarze Mann" sei", sagte der Kriminalexperte. Der 40-Jährige habe dies dann bestätigt.
Seine geheimen Sehnsüchte hatte Martin N., der als Betreuer auf Jugendfreizeiten und in Heimen arbeitete, jahrzehntelang vor Kollegen und Bekannten verbergen können. Im Internet verhielt er sich dagegen weniger bedeckt.
Von 2000 bis 2011 verfasste er nach Angaben von Soko-Leiter Erftenbeck unter einem Pseudonym in einem Forum rund 4500 Beiträge, in denen er sexuelle und brutale Fantasien äußerte. Nicht immer blieb es bei Fantasien - auch später nicht, wie die Aussagen der beiden weiteren Missbrauchsopfer nun nahelegen.
dpa/age/LTO-Redaktion
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LG Stade: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4972 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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