Eine Frau schickte via Facebook eine private Nachricht an Til Schweiger. Dieser war mit dem Inhalt nicht einverstanden und machte die Nachricht samt Klarnamen der Frau auf seiner Seite öffentlich. Das geht in Ordnung, so das LG Saarbrücken.
Der Schauspieler Til Schweiger muss einen öffentlichen Facebook-Post, in dem er den vollständigen Namen einer Frau preisgab, die ihn zuvor in einem privaten Chat angeschrieben hatte, nicht löschen. Dies entschied das Landgericht (LG) Saarbrücken am Donnerstag (Beschl. v. 23.11.2017, Az. 4 O 328/17). Die Richter gaben damit der Meinungsfreiheit Schweigers den Vorzug vor dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin.
Die 58-Jährige aus Sulzbach hatte sich laut dem Urteil des LG, welches LTO vorliegt, in mehreren Kommentaren auf der offiziellen und verifizierten Facebook-Seite des Filmstars an Diskussionen zu "politischen und gesellschaftlichen Themen" beteiligt und dabei über ihr Profil u. a. ihren vollen Namen und Anschrift preisgegeben. Schließlich ging sie Schweiger wegen öffentlicher Äußerungen, die dieser u. a. über die Alternative für Deutschland (AfD) getätigt haben soll, in einer privaten Chat-Nachricht an.
Darin soll sie ihn laut Gericht "in nicht unerheblicher Weise" angegriffen und unter anderem auf eine vermeintliche Äußerung seinerseits, bei einem Einzug der AfD in den Bundestag Deutschland verlassen zu wollen, angesprochen haben. Am 27.09. schrieb sie Schweiger: "Sie wollten doch Deutschland verlassen. Warum lösen Sie Ihr Versprechen nicht endlich ein. Ihr Demokratieverständnis und Ihr Wortschatz widern mich an. Mfg." Wenig später, um 0:54 Uhr des Folgetages, antwortete der Schauspieler und stellte einen Screenshot ihrer Nachricht mitsamt ihrem Namen auf seine Pinnwand. Dazu schrieb er: "hey schnuffi…! date!? nur wir beide? […]."
LG: Meinungsfreiheit und Informationsinteresse überwiegen
Der Beitrag Schweigers, dem auf Facebook rund 1,4 Millionen Menschen folgen, wurde vielfach geteilt und kommentiert, der Name der Frau war nun Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion. Unter den teils beschimpfenden und spöttischen Kommentaren leidet sie nach eigener Aussage bis heute, sie habe sogar eine Morddrohung erhalten. Aus diesem Grund wollte sie im Wege einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass Schweiger seinen Post wieder löschen muss.
Doch der Kritik müsse sie sich stellen, urteilte nun das LG. Ihre Aufforderung an Schweiger, das Land zu verlassen, sei "von kaum zu unterschätzender Bedeutung", so der Vorsitzende Richter Martin Jung in der Verhandlung. Das Gericht erkannte zwar in der Veröffentlichung des Beitrags mit dem Namen der Frau eine Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts. So habe es allein der Klägerin zugestanden, zu bestimmen, ob ihre Äußerung uneingeschränkt der Öffentlichkeit übermittelt werden solle.
Gleichwohl sei der Eingriff nicht rechtswidrig, führte die Kammer aus. Im Rahmen einer Güterabwägung müssten die Belange der Frau hinter das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht Schweigers auf Meinungsfreiheit zurücktreten. Schließlich habe sie dem Schauspieler aus eigenem Antrieb heraus geschrieben und sich damit an einer "in der Öffentlichkeit geführten, kontroversen Debatte" beteiligt, die "emotional aufgeheizt" gewesen sei.
Auch wenn die Nachricht auf Facebook keineswegs öffentlich, sondern nur für den Adressaten einsehbar ist, befand das Gericht, die Frau habe mit einer öffentlichen Antwort rechnen müssen. Der Weg über soziale Netzwerke schließe einen Vetraulichkeitsschutz zwar nicht aus, er sei allerdings auch nicht so sicher wie bspw. ein Brief.
2/2: Urteil "nicht zeitgemäß"
"Das ist nicht zeitgemäß", erklärte dazu Arno Lampmann von der Kölner Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, der Mandanten u.a. in Fragen des Medien- und Persönlichkeitsrechts vertritt. "Ob Herr Schweiger einen Knopf drücken muss, um den Inhalt der Nachricht öffentlich zu machen oder andere Hilfsmittel einsetzt - auf solche Finessen kann es hier nicht ankommen."
Die Klägerin habe hier einen privaten Weg gewählt, um sich an ihn zu wenden. "Das kann man nicht als Einverständnis zur Veröffentlichung auslegen." Die Kammer habe damit ohne Grund "ihr laienhaftes Technikverständnis" zur Grundlage der Entscheidung gemacht.
Im Übrigen führe der Post, welcher allein die Sozialsphäre der Klägerin betreffe, auch "nicht zu einer Stigmatisierung, sozialen Ausgrenzung oder Prangerwirkung der Klägerin", so das Gericht. Nach ihrer Darstellung habe sie Schweiger provozieren wollen, da er sich ihrer Ansicht nach polemisch über die AfD und deren Wähler geäußert habe. Das Geheimhaltungsinteresse trete dann hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurück, wenn die veröffentlichte Nachricht politisch brisante Angelegenheiten betreffe oder einen sonstigen Beitrag zum "geistigen Meinungskampf" leiste, so das LG, welches offenbar auch die Nachfrage bezüglich Schweigers Ausreise hierzu zählte.
Selbstjustiz oder berechtigte Meinungsäußerung?
Des Weiteren zog das Gericht auch die Tatsache heran, dass die Frau sich nicht in einem neutralen Ton geäußert, sondern Schweiger angegriffen und sich mit dessen vermeintlichem Ausreisewunsch auf eine Behauptung gestützt habe, die nicht bewiesen werden konnte. Eine Äußerung, die sie, wenngleich über Facebook, allerdings nicht öffentlich tätigte. Doch dieser Aspekt spielte in den Augen des Gerichts eine untergeordnete Rolle.
Auch hier, so Rechtsanwalt Lampmann, habe das Gericht den falschen Ansatz gewählt: "Selbst wenn die Dame Herrn Schweiger beleidigt hätte, so hätte er eine Strafanzeige stellen müssen, anstatt mit einem öffentlichen Pranger Selbstjustiz zu betreiben." Der Kinostar habe hier "seine Macht missbraucht".
Auch das Argument, der Name der Klägerin könne wenig zum etwaigen Nachrichtenwert ihrer Aussage beitragen, trug für die LG-Richter nicht. Schließlich habe sie sich lange vor der Forderung nach einer Unterlassungserklärung selbst an die Öffentlichkeit begeben. Zum Einen habe sie - nachdem der Post auf Schweigers Seite bereits veröffentlicht worden war - den Screenshot in einem Internetforum namens "Deutschland mon amour" gepostet, dem 25.000 Personen angehörten - nach eigenen Angaben, um dort Unterstützung zu suchen. Zum anderen habe sie nach Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung an einer Veröffentlichung in der BILD vom 15.11.2017 mitgewirkt, in der auch ihr Name genannt worden sei.
Schweiger hatte unterdessen über seine Anwältin erklären lassen, er habe mit dem Öffentlichmachen des Posts "gegen Hetze gleich welcher Art" vorgehen und auf das Problem von Hass-Nachrichten aufmerksam machen wollen. Die Frau sei nach der Entscheidung des Gerichts enttäuscht, sagte ihr Anwalt Arnold Heim nach der Verkündung. Nun müsse man prüfen, ob man Berufung dagegen einlege.
Mit Materialien von dpa
Maximilian Amos, Til Schweiger obsiegt vorm LG Saarbrücken: Privatchat am Pranger . In: Legal Tribune Online, 23.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25669/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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