LG Nürnberg zu intersexueller Person: Scha­dens­er­satz wegen man­gelnder Auf­klärung vor OP

17.12.2015

2/2: Ärzte hätten über Tragweite der OP aufklären müssen

Die für Arzthaftungssachen zuständige 4. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth folgte der Argumentation der Mediziner nicht. Zwar stellten die Richter keinen Behandlungsfehler fest. Die feminisierende OP an der Intersexuellen sei jedoch rechtswidrig gewesen, weil sie ohne wirksame Einwilligung vorgenommen worden sei.

Die erteilte Einwilligung sei unwirksam, da sie ohne vorherige umfassende Aufklärung erfolgte. Die Ärzte hätten ihrer Patientin kein zutreffendes Bild von ihrem gesundheitlichen Zustand vermittelt. Denn dazu hätten sie auch im Jahr 1995 der erwachsenen Person sagen müssen, dass sie Merkmale beider Geschlechter in sich trägt und ihr Ursachen und Folgen jedenfalls in den Grundzügen verständlich erläutern müssen. Nur so hätte sie die Tragweite der Behandlung erkennen und eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können.

Die Klage gegen den Operateur wies das Gericht hingegen ab. Er sei nicht dafür verantwortlich gewesen, dass die anderen Ärzte die Intersexuelle nicht ausreichend aufgeklärt hätten.

Entscheidung zur Höhe des Schadensersatzes steht noch aus

Die Kammer wollte mit diesem Teil-Urteil vorab klären, ob der Anspruch grundsätzlich besteht. Um dessen tatsächliche Höhe zu bestimmen, bedarf es noch einer weiteren Beweisaufnahme, der Prozess wird noch fortgesetzt werden. Die Entscheidung ist auch noch nicht rechtskräftig, beide Seiten können noch Berufung einlegen.

Die 41-Jährige zeigte sich aber nach der Teil-Urteilsverkündung bereits erleichtert. "Das ist schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich bin positiv überrascht und kann es noch nicht so richtig fassen", sagte sie. "Das alles hat so viel Schmerzen gekostet. Ich wäre froh, wenn das Ganze jetzt bald abgeschlossen wäre."

Es ist das zweite derartige Verfahren in Deutschland. In einem ersten ähnlichen Prozess in Köln hatte eine Krankenpflegerin 2008 ebenfalls einen juristischen Sieg gegen einen Chirurgen erzielt.

ahe/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

LG Nürnberg zu intersexueller Person: Schadensersatz wegen mangelnder Aufklärung vor OP . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17910/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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