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Zweiter Verhandlungstag im Shiny-Flakes-Prozess: Infor­mant half Ermitt­lern beim "Amazon for Drugs"

von Linda Pfleger und Dr. Felix W. Zimmermann

26.01.2023

Das Bild zeigt einen lächelnden jungen Mann im Wald, was möglicherweise Aufschluss über seine Aussage im Prozess geben könnte.

Bei Netflix beantwortet Schmidt die Frage nach seiner derzeitigen Tätigkeit an dieser Stelle der Doku mit "Autosachen". Doch die "Firma" könnte sich mit anderen Dingen beschäftigt haben. Bild Netflix – Shiny Flakes 

Das Verfahren gegen Maximilian Schmidt und seine Mitangeklagten ging am Donnerstag in die zweite Runde. Der erste Zeuge sagte aus, Verwertungsverbote wurden diskutiert.  Einige Angeklagten kündigen Geständnisse an. 

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In dem am Montag gestarteten Prozess vor dem Landgericht Leipzig wegen bandenmäßigen Drogenhandels im Zusammenhang mit dem Webshop "Candylove" sagte am Donnerstag ein Polizeibeamter aus, der angeblich über einen geheimen Informanten an die Gruppe um Maximilian Schmidt herangekommen sei. 

Den fünf Angeklagten wird vorgeworfen, über Candylove" circa 20 Kilogramm Drogen in über 400 Postsendungen an Abnehmer verschickt zu haben. Angeklagt ist ein bandenmäßiges Handeln nach § 30a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz.

Der 27-jährige* Hauptangeklagte Maximilian Schmidt war dadurch bekannt geworden, dass er mit 18 Jahren den Drogenshop "Shiny Flakes" aus seinem Kinderzimmer heraus aufbaute und in kurzer Zeit einen Millionengewinn erzielte. 2015 wurde er zu einer siebenjährigen Jugendstrafe verurteilt. Netflix verfilmte die Geschichte und drehte mit Schmidt eine Dokumentation, an deren überraschendem Ende bereits herauskam, dass die Polizei erneut gegen ihn ermittelt.

"Amazon for Drugs" und "Autosachen"

Nach der Zeugenaussage eines Polizeibeamten am Donnerstag sind die erneuten Ermittlungen gegen Schmidt durch den Tipp eines Informanten ins Rollen gekommen, dessen Identität verborgen bleiben soll. "Der Informant sagte mir, dass Friedemann G. dabei vom Kinderzimmer-Dealer unterstützt werde", so die Aussage des Ermittlers. Konkret habe der Angeklagte G. danach "zusammen mit dem Kinderzimmer-Dealer" Betäubungsmittel vertrieben. Dabei hätten sich beide in offenem Vollzug befunden. 

Im Rahmen der Ermittlungen konnte das LKA sodann den Webshop "candylove" ausmachen, dessen Aufbau mit einem Warenkorb, der Bezahlung per Bitcoin und FAQ einem gewöhnlichen Webshop gleiche und deshalb auch – laut der Aussage des Zeugen – als "Amazon for Drugs" bezeichnet wurde. Laut des Informanten habe G. zudem Personen gesucht, die sich in einer Bunkerwohnung aufhalten, Betäubungsmittel empfangen, portionieren und versenden würden.

Es fallen Parallelen zu Inhalten und Details der Netflix-Dokumentation auf, in der Schmidt angab, beruflich "Autosachen" zu machen. Nach Aussage des Zeugen soll sich der Angeklagte G. während seines offenen Vollzugs oftmals auf seinem Autohandel in Borna (Sachsen) aufgehalten haben. Ob es tatsächlich seiner ist – später wird auf einmal eine Geschäftsführerin erwähnt – blieb bislang genauso offen wie die Frage, inwieweit Schmidt in die "Autosachen" verwickelt war.

Gab der angeklagte Rechtsanwalt seine Adresse für Firmensitz her? 

An diesem Punkt kommt auch der Angeklagte Rechtsanwalt R. ins Spiel: Nach einer verlesenen Erklärung seines Verteidigers war dieser als Rechtsanwalt für den Angeklagten G. und seinen Autohandel in rechtlichen Angelegenheiten tätig. Auch vertrat er ihn in einem vorherigen strafrechtlichen Verfahren. Übrigens ein Strafverfahren, in dem der Richter Rüdiger Harr ebenfalls den Vorsitz hatte. Harr kennt also bereits beide Angeklagten. Den einen als Straftäter, den anderen als Verteidiger.

Der Polizeibeamte gab an, dass als Händler des Autohandels eine R-GmbH eingetragen gewesen sei, deren Adresse mit dem Sitz des Kanzleibüros des Angeklagten R. übereingestimmt habe. Offen blieb unter anderem, welche Rolle der Autohandel konkret für die Drogengeschäfte gespielt haben soll.

Eine weitere Parallele zur Vorgeschichte von "Shiny Flakes" besteht darin, dass laut der Zeugenaussage ein User in einem Forum den Webshop "Candylove" beworben habe und zwar mit einem Profilbild, das den nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un gezeigt haben soll – wie Schmidt seinerzeit bei "Shiny Flakes". 

Aussagen einiger Angeklagten angekündigt

Möglicherweise hält der nächste Termin, der für Donnerstag den 3. Februar angesetzt ist, eine Wendung bereit. Die Verteidiger der wegen Beihilfe angeklagten Gehilfen stellten für diesen Tag eine Einlassung ihrer jeweiligen Angeklagten in Aussicht. Schmidt dagegen werde sich "derzeit" noch nicht äußern, die Optionen würden jedoch stetig weiter geprüft. 

Die Stimmung am zweiten Verhandlungstag war durchwachsen. Nachdem der Vorsitzende nach anfänglichen Diskussionen seine Dankbarkeit für die "sachliche Atmosphäre" ausdrückte, wurde der Ton im Saal im Laufe des Tages dann zeitweise doch schärfer. 

Verteidiger gehen in Angriffsmodus über

Einer der Verteidiger des G. sprach von Ermittlungspannen. Laut Verteidigerin des G. sei vieles "ganz schief gelaufen". Insbesondere hätten die Gespräche zwischen Rechtsanwalt R. und dem Angeklagten G. nicht abgehört werden dürfen. Bemängelt wurde von den Verteidigern Schmidts zudem, dass ihnen Aktenteile vorenthalten und möglicherweise sogar aus der Akte entfernt worden seien. Fast jede Einlassung des Zeugen wurde von den Verteidigern intensiv hinterfragt. Schmidt selbst folgte der Verhandlung gewohnt ruhig und gelassen – teils lächelnd, die Hände ineinander gefaltet oder die Arme verschränkt.

Als rechtlichen Cliffhanger warf der Verteidiger des Angeklagten Schmidt noch die Frage in den Raum, inwieweit sich der Staat durch etwaige Drogen-Scheinkäufe nicht selbst strafbar gemacht habe. Schließlich hätte es eine Straftat ohne dessen Kaufanimierung gar nicht gegeben. 

"Sie haben schon auch ein wenig in der Hand, wie lang das Verfahren dauert"

Gegen Ende der Verhandlung erläuterte der Vorsitzende Richter Harr erneut die Möglichkeit eines Geständnisses und die jeweiligen Folgen für die Angeklagten und das Verfahren. Er wies darauf hin, dass nach einem Geständnis der wegen Beihilfe angeklagten Männer eine Verfahrensabtrennung oder gar die ebenfalls im Raum stehende Einstellung in Betracht käme und sich das Verfahren auf diese Weise deutlich verkürzen könne. 

Schließlich bat der Verteidiger Schmidts erneut darum, wie bereits am Montag, den Gerichtssaal noch zur Beratung nutzen zu können. Der Vorsitzende überließ die Antwort den Wachtmeistern, die ihr Einverständnis unter die Bedingung stellten, dass "es nicht Stunden dauere". Jedenfalls Wachtmeister und Gericht sind offenbar an einem kurzen Prozess interessiert. 

*Anm. d. Red.: In einer früheren Version war das Alter unzutreffend mit 27 Jahren angegeben.

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Zweiter Verhandlungstag im Shiny-Flakes-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50898 (abgerufen am: 18.05.2025 )

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