Ein Mann bedient sich unter Drogeneinfluss am Kühlschrank seines Freundes. Die Flüssigkeit, von der er ein Glas in einem Zug austrinkt, ist aber keine Limo, sondern eine Ammoniaklösung. Dafür bekommt er Schmerzensgeld, so das LG Köln.
Wer ätzende Flüssigkeiten in unauffälligen Flaschen im Kühlschrank eines Ladengeschäfts verwahrt, auf den Dritte Zugriff haben, verletzt nach einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln seine Verkehrssicherungspflicht. Einem Mann, der eine Ammoniaklösung aus einer Limonadenflasche getrunken hatte, steht deshalb ein Schmerzensgeld zu (Urt. v. 13.05.2022, Az. 12 O 459/19).
Die Parteien, die sich vor dem Kölner LG um Schmerzensgeldansprüche stritten, waren befreundet und hielten sich bei dem Vorfall in der Werkstatt des Beklagten aus. Als der Kläger Durst verspürte, bediente er sich aus dem Kühlschrank, der sich hinter der Ladentheke in einem Küchenbereich befand. Er goss sich die Flüssigkeit aus der der Flasche in ein Glas und trank diese in einem Zug aus. Dass es sich dabei nicht um Limonade, sondern um eine Ammoniaklösung unbekannter Konzentration handelte, nahm er den Gerichtsangaben zufolge nicht wahr. Der Beklagte bewahrte die Lösung in seiner Werkstatt auf, um damit Handy-Platinen reinigen zu können.
Der klagende Mann erlitt daraufhin schwerste Verletzungen an der Speiseröhre und um Magen und musste in ein künstliches Koma versetzt werden. Er erholte sich nur langsam von dem Vorfall. Vor Gericht verlangte er ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.750 Euro sowie die Feststellung, dass der beklagte Freund verpflichtet sei, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.
Kläger muss sich Mitverschulden anrechnen lassen
Dieser lehnte eine Haftung jedoch ab. Er habe die Flasche hinter dem Sofa in seiner Werkstatt versteckt, sein Praktikant habe sie jedoch ohne sein Wissen in den Kühlschrank gestellt. Außerdem, so der beklagte Freund, habe der klagende Mann Amphetamine konsumiert und zum Vorfallszeitpunkt bereits drei Nächte nicht geschlafen. Deshalb habe er den beißenden Geruch der Flüssigkeit nicht wahrgenommen. Er habe auch gar nicht erst hinter die Ladentheke treten dürfen.
Das LG entschied nun, dass dem klagenden Mann ein Anspruch auf Schmerzensgeld zusteht. In dem er die Ammoniaklösung in einer für andere Personen zugänglichen Limonadenflasche gelagert habe, habe sein Freund seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Laut Gericht hätte er Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass Dritte nicht mit der Chemikalie in Berührung kommen. Selbst das Versteck hinter dem Sofa hätte dafür keinen hinreichenden Schutz geboten, so das LG.
Allerdings müsse sich der klagende Mann ein Mitverschulden in Höhe von 25 Prozent anrechnen lassen. Zwar hätten sich die Dämpfe aus der Flasche nach der kurzen Zeit, bis er das Glas mit der Lösung getrunken hatte, noch nicht freigesetzt. Ihm sei jedoch bekannt gewesen, womit sich der beklagte Freund in seiner Werkstatt beschäftigt. Er hätte daher nicht einfach eine farblose, nicht perlende Flüssigkeit aus einer bereits geöffneten und nicht mehr versiegelten Glasflasche mit einem Limonadenetikett trinken dürfen, ohne sich zuvor zu vergewissern, um welche Art von Flüssigkeit es sich handelte. Nach Ansicht des LG gelte dies umso mehr, soweit der Kläger davon ausgehen musste, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit aufgrund des Drogenkonsums beeinträchtigt sein könnte.
Ein höheres Mitverschulden rechnete ihm das Gericht nicht an. Ein Zeuge hatte ausgesagt, dass sich Freunde des Beklagten selbst an dem Kühlschrank bedienen dürfen. Es sei laut Gericht auch nicht erwiesen, dass das von dem Kläger konsumierte Amphetamin starken Durst verursacht hätte, so dass dieser zu unvorsichtig geworden sei.
acr/LTO-Redaktion
LG Köln spricht Schmerzensgeld zu: . In: Legal Tribune Online, 30.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48896 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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