Bombendrohungen, vergiftete Marzipanherzen auf Schulhöfen - eine Stadt wird in Angst versetzt, um eine Erpressung durchzusetzen. Dafür ist ein 38-Jähriger in Kiel nun verurteilt worden.
Nach nur einem Verhandlungstag ist der Prozess, gegen den Mann, der vor einem halben Jahr Eltern und Schüler in Kiel mit vergifteten Marzipanherzen Schrecken einjagte, schon zu Ende. Der sogenannte Marzipan-Erpresser, ein eher schmächtiger 38-Jähriger ,ist am Montag vom Landgericht (LG) Kiel zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt worden.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im vergangenen Jahr auf Schulhöfen in Kiel mit Insektiziden vergiftete Marzipanherzen ausgelegt hat. Damit habe er seiner Forderung, von dem Unternehmen Coop drei Millionen Euro in Bitcoins (digitale Geldeinheit) zu erpressen, Nachdruck verleihen wollen, so der Vorsitzende Richter Ralph Jacobsen.
Die Kammer folgte damit der Auffassung der Staatsanwaltschaft, die sich ebenfalls für eine Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung aussprach. Der Verteidiger hatte für eine Verurteilung lediglich wegen schwerer Nötigung plädiert. Zunächst stand eine Verständigung bei einem vollumfassenden Geständnis im Raum. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, sagte Jacobsen. Die kurze Verhandlungsdauer ist vor allem Folge der besonders guten Beweislage, wie Oberstaatsanwalt Michael Bimmler sagte.
Was im September 2016 geschah
Am 8. September 2016 ging bei Coop eine Erpresser-Mail ein. Weitere rund 20 Drohschreiben folgten in den nächsten Tagen, einige Medien erhielten die Mails in Kopie. Um den Druck zu erhöhen, wie der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung sagte. Einige Tage nach Eingang der ersten Mail lagen vergiftete Marzipanherzen auf dem Hof einer Kieler Grundschule. Die Süßigkeiten waren mit einem Insektizid versetzt, das gesundheitliche Beschwerden, wenn auch keine ernsthaften Schäden, auslösen kann.
Am 16. September folgten dann Bombendrohungen gegen drei Schulen. Die Polizei ließ die Schulen räumen und durchsuchen. In zwei der Schulen wurden auch verdächtige Gegenstände gefunden. Sie stellten sich aber später als harmlos heraus.
Die Behörden hatten schnell einen Verdächtigen im Visier: Über den Verkaufsweg der Marzipanherzen konnten die Ermittler die Spur zu dem 38-Jährigen zurückverfolgen. Während einer Observierung beobachteten sie ihn dabei, wie er an einer Bushaltestelle in der Nähe einer Schule eine gefüllte Brotdose abstellte. Analysen ergaben daraufhin, dass auch die darin enthaltenen Lebensmittel vergiftet waren.
Die "etwas wirre" Erklärung für eine Epressung
Der Angeklagte gestand zu Prozessbeginn, die Mails geschrieben und die vergifteten Marzipanherzen ausgelegt zu haben. Er habe niemanden schaden wollen, ließ er über seinen Anwalt erklären. Es tue ihm leid, dass er Eltern und Kinder verunsichert habe.
Den Erpressungsvorwurf wies der Mann zurück. Es folgte eine schwer verständliche Erklärung, warum er die Aktion dennoch gestartet hatte. Die Rede ist von einer Software, mit der man User des Darknets, die eine bestimmte Zugangssoftware nutzten, identifizieren könne. Von Verschlüsselungen und dem Versuch, das Programm zu verkaufen. Die Software habe er unter Realbedingungen testen wollen.
Die Geschichte von der "Werbeveranstaltung für ein Computerprogramm", das er verkaufen wolle, sei "etwas wirr" und unglaubhaft, befand Oberstaatsanwalt Bimmler. Auch der Vorsitzende Richter Jacobsen, erteilte der Version des Testlaufs eine Abfuhr. "Das glaubt die Kammer nicht." Es sei dem Mann, der Schulden in Höhe von bis zu 40.000 Euro hat, darum gegangen, Geld von Coop zu erhalten. Besonders verwerflich für die Richter ist, dass der Erpresser mit der Gefährdung von Kindern gedroht hat. "Die halbe Stadt war beunruhigt."
dpa/nas/LTO-Redaktion
Nach kurzem Prozess in Kiel: . In: Legal Tribune Online, 13.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22363 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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