Weil er einen Angeklagten in eine Zelle stecken ließ, um ein Geständnis zu erzwingen, ist ein ehemaliger Proberichter nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Einen früheren Freispruch hatte der BGH aufgehoben.
Es waren höchstens 60 Sekunden "Probehaft" in einer Zelle - doch sie haben das Leben zweier Menschen verändert. Für den Zelleninsassen, einen wegen Exhibitionismus Angeklagten, war es eine zweite Chance. Für den anderen, einen Proberichter, bedeutete es das Ende seiner Karriere.
Nun, acht Jahre später, ist der Jurist in einem Prozess wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung vom Landgericht (LG) Kassel zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden (Urt. v. 27.06.2017, Az. 11 KLs 3600 KLs 37702/09). Es ist bereits das zweite Urteil, nachdem der BGH die Sache zurückverwiesen hatte.
Wegen seiner ungewöhnlichen Methode stand der 40-jährige Thüringer am Dienstag vor der Strafkammer. Dort wurde der Vorfall aus dem Jahr 2009 minuziös rekonstruiert. Damals war der Jurist Richter auf Probe in Eschwege im Werra-Meißner-Kreis gewesen - und hatte in einer Verhandlung einen Angeklagten in eine Zelle stecken lassen.
Die Idee: Der Mann sollte sehen, was ihm blühen könnte. Er hatte sich zuvor auf dem Spielplatz eines Schnellimbisses mit offener Hose und heraushängendem Geschlechtsteil gezeigt. Ein Gutachten bescheinigte hohe Wiederholungsgefahr.
Für eine Minute in Zelle gesteckt
Der Mann sollte eine Therapie machen, doch in den Augen des Proberichters hätte die ohne Einsicht nichts gebracht. Und die fehlte dem Angeklagten: Er habe sich nur nachlässig angezogen, daher habe sein Geschlechtsteil herausgehangen, so die Erklärung.
Der Richter verließ daraufhin den Gerichtssaal mit dem Angeklagten. Protokollantin und Staatsanwalt blieben ratlos zurück - einen Anwalt gab es nicht. Mit einem Wachtmeister ging es in den Keller. Dort waren Zellen. Für maximal eine Minute soll der Mann in einen solchen Raum gebracht worden sein. Die Tür wurde geschlossen. Das machte Eindruck. Der Mann gestand die Tat und willigte in die Therapie ein.
Den Aufenthalt in der Zelle sehe der damals Angeklagte heute als großes Unrecht, aber auch als zweite Chance, erklärte die Staatsanwältin nun vor dem Kasseler Landgericht. Der Mann hatte keine Anzeige erstattet, erst eine anonyme Anzeige brachte die Sache ins Rollen. Der damalige Proberichter wurde entlassen, bekam auch keine Zulassung als Anwalt. Er verdiene sein Geld heute mit Projekten, gab der Jurist vor Gericht an.
"Fürchterlich schlechte Idee"
Dabei glaubte auch das Landgericht Kassel, dass er als Proberichter damals das Beste für den Angeklagten wollte. "Und dann kam Ihnen diese fürchterlich schlechte Idee", sagte der Vorsitzende Richter. Auch Eigennutz habe eine Rolle gespielt: "Sie wollten das Verfahren rechtskräftig abschließen, weil einiges nicht so rund gelaufen ist". Für das Gericht war klar: Der 40-Jährige habe damals genau gewusst, was er tat. Er sei schließlich ein guter Jurist.
Das Urteil lautet ein Jahr auf Bewährung. Rechtsmittel dagegen sind möglich. Fünf Monate gelten aufgrund der langen Prozessdauer als verbüßt. Man könne nur die Mindeststrafe verhängen, erklärte das LG - auch weil der Vorfall die Karriere des Juristen beendet und seiner Familie geschadet habe.
Es ist bereits das zweite Urteil des LG Kassel in dem Fall. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2012 einen Freispruch aufgehoben. Dem folgte nun das Landgericht: Auch wenn das Ergebnis seinerzeit das richtige gewesen sei, habe der Druck des Proberichters den Angeklagten damals doch benachteiligt.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Rechtsbeugung und Aussageerpressung: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23302 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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