Eine schwerbehinderte Mieterin muss trotz berechtigten Eigenbedarfs der Vermieter nicht ausziehen, weil das ein Härtefall für sie wäre. Dies gilt auch, wenn die Vermieterin ihre pflegebedürftige Mutter in der Wohnung unterbringen will.
Eine schwerbehinderte Mieterin darf in ihrer Wohnung bleiben, obwohl die Vermieter berechtigterweise wegen Eigenbedarfs gekündigt hatten, um die pflegebedürftige Mutter der Vermieterin dort unterzubringen. So hat das Landgericht (LG) Heidelberg über eine Räumungsklage entschieden (Urt. v. 20.06.2024, Az. 5 S 46/23).
Die Mieterin lebt seit 2004 in einer barrierefreien Erdgeschosswohnung, die sie aufgrund ihrer Behinderung und Pflegebedürftigkeit benötigt. Die jetzigen Vermieter hatten die Wohnung 2015 übernommen und 2023 eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Geplant war, dass die knapp 90-jährige Mutter der Vermieterin, die auf einen Rollator angewiesen ist und ihre bisherige Wohnung im dritten Stock ohne Aufzug kaum mehr verlassen kann, in die Erdgeschosswohnung einzieht. Unterstützt werden sollte sie von einem Enkel, der ebenfalls mit seiner Familie dort wohnen sollte.
Vier Jahre erfolglose Wohnungssuche
Die Mieterin widersprach der Kündigung, da es ihr trotz intensiver Suche seit 2019 nicht gelungen sei, eine geeignete Ersatzwohnung in Heidelberg zu finden. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Die Vorinstanz hatte noch entschieden, dass die Kündigung wegen Eigenbedarfs berechtigt gewesen und ein Härtefall im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB nicht vorliege. Es gab der Räumungsklage der Vermieter statt, weil die Mieterin trotz wirksamer Kündigung noch immer nicht ausgezogen sei. Das hob das amtsgerichtliche Urteil jedoch auf und stellte fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis bis auf Weiteres fortbestehe. Das LG stellte klar, dass die Eigenbedarfskündigung zwar berechtigt sei, aber die Interessen der Mieterin in diesem speziellen Fall überwögen. Nach §§ 574, 574a BGB sei das Mietverhältnis nämlich ausnahmsweise fortzusetzen, wenn die Räumung für den Mieter eine besondere Härte darstelle, die auch unter Abwägung mit den Vermieterinteressen unzumutbar erscheine. Genau diese Härte liege in diesem Fall vor.
Beide Parteien haben nach Ansicht des Gerichts ein gewichtiges Interesse am Bezug der Wohnung. Auf der einen Seite stünden die Bedürfnisse der Mutter der Vermieterin, die aufgrund ihrer kognitiven und physischen Verfassung einen erheblichen Bedarf an der Wohnung geltend gemacht habe. Auf der anderen Seite stellte das Gericht fest, dass die derzeitige Mieterin aufgrund ihres Gesundheitszustands und Pflegebedarfs auf eine barrierefreie Wohnung im Erdgeschoss angewiesen sei.
Auch ein Makler fand keine Ersatzwohnung
Die soziale und therapeutische Versorgung der derzeitigen Mieterin sei außerdem eng mit ihrer jetzigen Wohnung verknüpft, die sie bereits seit 20 Jahren bewohnt, führte das LG weiter aus. Nebst vierjähriger erfolgloser Wohnungssuche hatten es selbst die Vermieter nicht geschafft, einen geeigneten Ersatzraum zu finden, obwohl sie einen Makler beauftragt hatten. Im Ergebnis überwiege das Interesse der Mieterin dem Interesse der Vermieter, so das Gericht.
Das Gericht entschied daher, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird, da unklar sei, ob und ggf. wann die Mieterin eine zumutbare Ersatzwohnung finden wird.
xp/LTO-Redaktion
LG Heidelberg zur Eigenbedarfskündigung: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55173 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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